Das Google-Porträt | Die brutale Aufklärung vom Magazin „Le Tigre“

Als ich gestern auf der Suche nach passender Literatur für meine Bachelor-Arbeit meine Sammlung von Medienheften durchblätterte, erblickte ich im fluter von 2009 einen sehr interessanten Artikel. Nachdem ich mir diesen zu Gemüte geführt habe, stand für mich schnell fest, dass ich im MuK-Blog davon berichten werde.

„Du stehst auf blonde Frauen, oder?“

Mit dieser Überschrift beginnt der recht kurze Artikel auf grellgelben Hintergrund. Er informiert über die brutale Aufklärungskampagne vom französischen Magazin „Le Tigre“. Im Jahr 2009 hatten sich die Redakteure vom „Le Tigre“ zur Aufgabe gemacht, Porträts seiner Leser zu googeln und diese zu veröffentlichen.

So fing in der Print- sowie in der Online-Ausgabe von „Le Tigre“ ein Artikel folgendermaßen an:

„„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag“, wünscht der Verfasser, aber schon dann wird es gruselig: „Wir dürfen doch du sagen, Michel, nicht wahr? Gewiss, du kennst uns nicht. Aber wir wissen sehr viel über dich. Du bist heterosexuell und Single. Im Frühjahr 2008 hattest du eine Geschichte mit Claudia, charmant, kleine Brüste, kurzes Haar, schöne Beine.“

Dazu druckte das Magazin Bilder: Eine Umarmung am 31. Mai, Händchenhalten am 22. Juni.““

Textquelle: fluter (Nr. 31/Sommer 2009, S. 13), Autor: Wißmann, Constantin

Als Michel (29 Jahre) aus Mérignac damals seine Geschichte bzw. sein Porträt abgedruckt in dem französischen Magazin entdeckte, blieben seine nächsten Nächte schlaflos. Er entschied sich das Medium, welches so leichtfertig Informationen aus seiner Privatsphäre ausgeplaudert hatte, zu verklagen. Ihm wurde aber schnell klargemacht, dass die Chancen sehr schlecht stehen, denn all diese von „Le Tigre“ veröffentlichten Informationen hatte Michel selbst zuvor bei Youtube, Flickr oder Facebook ins Netz gestellt.

Erst der gedruckte Artikel mit Informationen über ihn selbst öffnete ihm die Augen, wie viel er schon von sich preis gegeben hatte – und das gegenüber einer Öffentlichkeit, die grenzenlos erscheint.

Michel war nicht der einzige porträtierte Leser; in der Rubrik namens „Das Google-Porträt“ wurden so einige Personen „vorgestellt“.

Ziel der Kampagne vom „Le Tigre“ war es die Leser zum Thema Datenschutz zu sensibilisieren.

Bei Michel hatte es gewirkt: er versuchte im Internet so viel wie möglich von sich zu löschen. „Le Tigre“ löschte auch auf seinen Wunsch die persönlichsten Dinge und anonymisierte seine Handynummer.

Noch Jahre nach der Kampagne von „Le Tigre“ berichteten zahlreiche Medienhäuser über die brutale Aufklärung.

Ich persönlich finde diese Idee brilliant. Die meisten der heutigen Onliner gehen viel zu leichtsinnig mit ihren Daten um. Ich hatte schon selbst im Rahmen eines Seminars eine ähnliche Aufgabe gestellt bekommen, die einen gewissen Nachgeschmack bei allen teilnehmenden Personen hatte (Artikel „digital natives & die Sensibilisierung aus der eigenen Welt…?“).

Vielleicht klappt nur auf diese Art Aufklärung und Sensibilisierung zum Thema Datenschutz.

Diese Aktion ist zwar schon aus dem Jahr 2009. Ich bin jedoch der Meinung, dass wenn es solch eine Kampagne dieses Jahr wieder geben würde, diese den gleichen, wenn nicht sogar noch einen krasseren Effekt, haben würde.

 

Textquelle: fluter (Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung; Nr. 31/Sommer 2009, S. 13), Autor: Wißmann, Constantin
Bildquelle: © pixabay.com / ein Bild von jonas-svidras

Norine Palme

"Wenn der Plan nicht funktioniert, dann ändere den Plan - aber niemals das Ziel!" Norine schloss das Studium an der SRH im Jahr 2018 ab. Beruflich ist sie in einem Verlagshaus tätig und widmet sich dort dem Management von verschiedenen Content-Marketing-Kampagnen. Im MuK-Blog schreibt Norine vornehmlich über Themen wie (digitales) Marketing, PR und Digitalisierung.