„Somewhere over the rainbow, skies are blue…“ – Irgendwo, jenseits des Regensbogens wartet das Glück. Oder etwa nicht? Zumindest wollen wir das glauben und zumindest spielt Hollywood gerne mit dieser Hoffnung, die in uns allen tief verankert ist. Die ewige Sehnsucht nach einem Happy End. Judy Garland, Kinderstar aus „der Zauberer von Oz“, musste allerdings mit den Schattenseiten dieser Traumfabrik von kleinauf klarkommen. Während sie den Menschen mit ihren Filmen und ihrer Musik Freude schenkte, war ihr eigenes Privatleben selten davon geprägt. Schon früh unter dem Druck der Studiobosse in eine Essstörung und in die Alkohol- und Pillensucht getrieben, war Judy auf der ewigen Suche nach ihrem eigenen Glück, Annerkennung und Liebe und fand diese für sich zumeist nur auf der Bühne, von ihrem Publikum – eine andere Form von Droge.
Rupert Goolds Film „Judy“ , basierend auf Peter Quilters „End of the Rainbow“ , spielt Ende der 60er Jahre, als Garlands (Renee Zellweger) Karriere in den USA praktisch vorbei ist. Widerwillig, aber von Geldnot getrieben entscheidet sich Judy deshalb 1969 ihre zwei jüngeren Kinder (aus dritter Ehe) bei ihrem Ex-Mann in Los Angeles zurückzulassen, um auf ein letztes Comeback, bei einer Reihe von Auftritten im Londoner „Talk of the Town“, zu hoffen. Denn schon lange gilt Judy als schwierig und unzuverlässig, weshalb es ihr kaum noch möglich ist sich gut bezahlte Jobs, wie einst, zu sichern. Das thematisiert auch der Film: Judy ohne großen Aufwand, viel Überredungskunst oder sogar physische Gewalt auf die Bühne zu schaffen, ist für die dortige Assistentin Rosalyn Wilder (Jessie Buckley) meist ein Ding der Unmöglichkeit. Schafft man Judy dann endlich auf die Bühne, ist das allerdings noch kein Garant dafür, dass sie fit genug ist, um richtig zu performen. In den Momenten, in denen sie dies aber tut, wird schnell klar, dass diese Frau ein unvergleichliches Talent besitzt, das alle Zusehenden in eine andere Welt transportiert und die Bühne immer noch ihr wahres und vielleicht auch einziges Zuhause bleibt. Durchbrochen wird Judys Zeit in London im Film immer wieder von einigen Rückblenden zu ihrer Zeit als Kinderstar bei MGM, die Einblick in die Psyche und das emotionale Trauma der Garland geben sollen, welches sie – so schneint es – nie überwinden konnte.
Nun neigt Hollywood bekanntlich gerne zu Übertreibungen, wie Judy Garland in Goolds Film portraitiert wird, kommt der Realität jedoch sehr nahe. So liest man beispielsweise auch in Stevie Philips (ehemals Judys Tourmanagerin) Memoiren, was für eine Achterbahnfahrt es gewesen sein muss, mit Garland auf Tour zu sein: Vor ihr schnitt Judy sich einst ohne jegliche Vorwarnung in einem Hotelzimmer die Pulsadern auf und legte am gleichen Abend noch eine wahnsinns Show hin.
Renee Zellweger überzeugt mit Mimik, Körperhaltung und Sprache in der Rolle einer Frau, gefangen zwischen Glamour und Tragik, von der ersten Minute an. Dass sie sich nicht eins zu eins wie Garland anhört, ist kaum erwähnenswert, denn ihr eigener Gesang ist so authentisch und überzeugend, dass er sie neben der echten Judy Garland geradezu koexistieren lässt und den Zuschauer ausnahmslos in den Bann zieht. Kein Wunder also, dass Zellweger bereits für einen Golden Globe – und bestimmt auch bald für den Oscar – nominiert wurde.
Ab 2. Januar läuft „Judy“ hierzulande im Kino und sorgt somit für einen gekonnten Start ins Filmjahr 2020.