Tinderella 2.0

Du bist nicht du, wenn du auf Tinder bist!

In Zeiten von 40h Arbeitswochen, einer rasenden Geschwindigkeit von Innovationen, der wachsenden Digitalisierung unserer Gesellschaft und unseres Lebens muss es für viele von uns auch auf der Suche nach dem optimalen Partner schneller gehen.

„Ich habe einfach keine Zeit“ hören wir an jeder Ecke. Die Menschen klagen darüber, immer weniger Zeit in ihren Leben zu haben. Da der Beruf heute nicht mehr bloß als Quelle für die Zahlung der Lebenshaltungskosten dient, sondern als eine Art Berufung wahrgenommen wird, nimmer er einen wachsenden Stellenwert im Leben der Menschen ein. Wir sind bereit immer mehr zu tun, um eben in dieser Berufung völlig aufzugehen und eben das Optimum zu geben. Überstunden zusätzlich zu den festgesetzten 40 Arbeitsstunden wöchentlich sind keine Seltenheit mehr- unbezahlt versteht sich- denn wir wollen eben unser Bestes geben, da auch dieser Beruf als Prestige-Element in unseren Leben gilt.

Wir perfektionieren uns also im Beruf und für diesen- doch eben hört die stetige Selbstoptimierung hier nicht auf! Nein, wir perfektionieren parallel hierzu auch die Partnersuche. Denn „einfach“ reicht heute einfach nicht mehr aus! Dating-Plattformen wie Tinder geben uns die nötigen Features, um unser Selbstbild zum optimalen Fremdbild für die Zielgruppe zu konstruieren.

Neulich war ich bei einer Lesung von Michael Nast, dem Autor und Kolumnisten des Buches „Generation Beziehungsunfähig“, der diesen Trend schon vor langer Zeit entdeckt hat, als er den Artikel mit der Überschrift „Generation Beziehungsunfähig“ veröffentlichte.

Er ging zu Beginn seiner Kolumne davon aus, dass es sich bei der Bindungsunfähigkeit und dem fehlenden Bindungswillen um die junge Generation handle, fand jedoch nach eigenen Aussagen durch Fanpost heraus, dass es sich gewissermaßen um ein Gesellschaftsproblem handle, welches Generationsübergreifend vorzufinden ist. Es gibt immer mehr Singles und immer weniger Familien.

Wir sind nicht wir, wenn wir auf Tinder sind. Eben so gar nicht! Dort sind wir die perfektionierte, plastische, gephotoshopte Perfektion unseres Selbst. Und eben auch dort begeben wir aus auf die Suche nach dem perfekten Pendant zu eben diesem unwirklichen Bild. Der nächste Partner soll also möglichst: schöner, perfekter, intelligenter, wohlhabender, passender als der letzte sein- eben im Idealfall- Perfekt. Wir agieren frei nach der Devise „Sky is the limit“- keiner/keine ist gut genug. Es wird immer noch besser, höher, weiter geben!

Oder auch „Nothing lasts forever„, wir leben den Moment und sind weniger zukunftsorientiert.

Wir klicken uns in Höchstgeschwindigkeit durch den, nennen wir ihn „ledigen Fleischmarkt“ und geben den gefallenden Bildern einen Klick, um mit den Menschen dahinter in Kontakt zu treten- virtuell versteht sich. Alles geht schnell- ein Klick zurück und wir wissen, dass auch der andere Gefallen an uns gefunden hat.

Eben geklickt, schon gechattet, schnell gedated, sich dafür oder dagegen entschieden! Ist die Person annehmbar, kann hieraus auch eine Beziehung werden- selbstverständlich aber eine, die mit dem nächsten Klick einer anderen Person bei Tinder wieder ersetzbar wird. Entscheiden wir uns dagegen, was soll´s, dann geht es weiter zu nächsten unwirklichen Bild, dass wieder bloß die optimierte Darstellung eines Menschen ist. Im „Nullkommanichts“ ersetzten wir Menschen, die nicht funktionieren (wie wir es wollen) wie Maschinen und zwar durch bessere, modernere, eben solche ohne die aufgefundenen Fehler. Wir rationalisieren gewissermaßen unser Liebesleben, wenn man denn hier noch von einem sprechen kann.

Wir produzieren auf Tinder eine Art Content unseres Selbst- aber wir lassen immer weniger Gefühle und Liebe zu.

Das Symbol der Tinder-App ist die Flamme. Möchte uns die App damit signalisieren, dass wir mit dem Feuer spielen? Auf Tinder sind wohl kaum nur Singles unterwegs- für diese ist die Benutzung der Plattform ein Spiel mit dem Feuer, da man jederzeit vom Partner oder Bekannten erwischt werden kann, während man nach einer optimierten Form des Partners im Internet sucht. Doch auch für jeden anderen von uns bleibt doch die Frage im Raum stehen, ob uns diese Art der Partnerwahl wirklich zum eigentlichen Ziel- nämlich dem Partner für´s Lebens führt?

Das Prinzip der Online-Single-Plattformen bleibt aus meiner Sicht kritisch zu betrachten, da es nicht den Begebenheiten und dem wirklichen Abbild der Personen entspricht. Es ist eben eher der virtuelle Avatar, der den Menschen in das Licht rückt, welches ihn am idealsten für den Singlemarkt dastehen lässt.

 

Unter folgendem Link ist „Generation Beziehungsunfähig“ erhältlich: Buch bestellen

 

Bildquelle(n): © MuK-Blog.de / Fink, J./ eigene Darstellung

Buchquelle(n): amazon.de, abgerufen 06.05.2016

Videoquelle(n): YouTube: Kontor.TV