Wie die Digitalisierung unser Bildungswesen verändert

Der Reformer des 19. Jahrhunderts, Wilhelm von Humboldt wollte „Bildung für alle“ und schuf das allgemeine Schulwesen in Deutschland. Heute verfügt unsere Gesellschaft über die nötigen technischen Voraussetzungen, um Bildung nahezu allen zugänglich zu machen und somit zu demokratisieren. Doch wie sehen diese Angebote aus und wie genau verändern sie unser Bildungswesen? Die Buchautoren Jörg Dräger und Ralph Müller-Eiselt zeigen in ihrem Buch „Die Digitale Bildungs-Revolution. Der radikale Wandel des Lernens und wie wir ihn gestalten können“ zahlreiche Beispiele auf, welche Chancen sich bieten und welche Gefahren durch die Digitalisierung drohen. In der aktuellen Ausgabe des T3n Magazin Nr. 44 gewähren die Autoren einen kleinen Einblick in diese spannende Thematik.

Onlinekurse verschaffen Zugang für Jedermann

2011 machten die beiden Professoren Sebastian Thurn und Peter Norvig von der Eliteuniversität Stanford University ihren Kurs „Einführung in die künstliche Intelligenz“ nicht nur für den Campus zugänglich, sondern boten diesen Kurs auch kostenlos im Internet an. Diese Art des Kurses nennt sich MOOC (engl. massive open online course) und führte dazu, dass sich mehr als 160.000 Menschen aus 190 Ländern für diesen Kurs einschrieben. Alle bekamen dieselben Lehrinhalte vermittelt, bekamen dieselben Übungsaufgaben und absolvierten alle dieselbe Prüfung. Ein Computer korrigierte die Übungen der Studenten und 23.000 Studierende bestanden diese Prüfung. Doch nicht allein die immense Zahl an Einschreibungen für diesen Kurs ist bemerkenswert, sondern die Erkenntnis, dass unter den 248 Studenten mit Spitzennote nicht ein einziger Student von der Universität vertreten war. Zu den Topstudenten zählte jedoch die elf jährige Khadija Niazi aus Pakistan. Die Revolution des Bildungswesen besteht folglich darin, dass alles was man für das Studium brauchte, sich auf einen Computer, schnelles Internet und Durchhaltevermögen beschränkt.

Lernen wird maßgefertigt

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© fudowakira0. Klassenzimmer

Wie das geht? In Brooklyn bekommen die Schüler der sechsten Klasse der David-Boody-Schule seit vier Jahren einen auf sie persönlich zugeschnitten Unterricht mit Hilfe des Konzepts „New Classrooms“. Ein Klassenraum im New-Classroom-Konzept erstreckt sich über ein ganzes Stockwerk. 90 Schüler lernen hier Mathematik an wechselnden Stationen. Manche schauen Videos, andere nutzen Lernsoftware und wieder andere sprechen mit dem Lehrer. Aber auch hier ist nicht das Offensichtliche die Besonderheit. Es sind nicht die vielfältigen Lernmethoden, sondern vielmehr die automatisierte Personalisierung.

Jeder Schüler legt am Ende eines Schultages einen kurzen Onlinetest ab. Ein Zentralcomputer in Manhattan errechnet über Nacht welcher Schüler noch nacharbeiten muss und welche Methode die beste dafür wäre. Es entsteht ein individueller Lernplan für den nächsten Tag, welchen die Schüler am nächsten Morgen über große Monitore erfahren. Bevor an der Schule New Classroms eingeführt wurde, lag die Leistung der Sechstklässler in Vergleichstest knapp unter dem Durchschnitt vergleichbarer Schulen. Mit New Classrooms lernen die sechstklässler heute jedoch knapp anderthalbmal so viel pro Jahr wie Schüler im nationalen Mittel.

Big Data errechnet Studienerfolg

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© pixabay.com. Binaercode

Die Software „Degree Compass“ von der Austin Peay State University in Nashville, Tennessee schlägt aus hunderten Vorlesungen und Seminaren jedem Studenten geeignete Kurse vor. Die Software vergleicht die bisher belegten Veranstaltungen und absolvierten Prüfungen mit den Leistungen früherer Studenten. Anschließend spricht die Software eine Empfehlung zum Besuch eines Kurses auf Grundlage von mehr als 500.000 Datenpunkten aus. Überdies errechnet die Software, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Student einen Kurs bestehen wird oder nicht. Ja, sogar die Abschlussnote soll vorhersagbar sein. Und tatsächlich bestehen 90 Prozent der Studenten, die das Programm nutzen, ihre Prüfungen. Insofern wird das Bildungswesen mit dieser Software dahingehen revolutioniert, als das Jugendlichen, deren Eltern keine akademischen Vorkenntnisse haben, eine Möglichkeit zur Orientierung geboten wird.

Zusammenfassung

In ihrem Beitrag für das T3n-Magazin zeigen die beiden Autoren mit eindrucksvollen Beispielen auf, welche Chancen sich dem Bildungswesen und somit unserer heutigen Gesellschaft bereits bieten. Gleichzeitig warnen die Autoren aber auch davor, dass speziell Deutschland Gefahr läuft abgehängt zu werden. Orientierten sich einst andere Länder an der deutschen Reformpädagogik, stammen die in diesem Artikel aufgeführten Beispiele allesamt aus dem Ausland. Laut den Autoren „fehlt das Gefühl der Dringlichkeit, die Erkenntnis, dass digitales Lernen keine zusätzliche Belastung, sondern ein Teil der Lösung ist.“ Denn in Zeiten von „Inklusion, Zuwanderung und Turboabi“ (vgl. Dräger, Müller-Eiselt), können neue Konzepte nicht nur Abhilfe sondern auch Fortschritt und Vorsprung schaffen.

 

Quellen

Dräger, J; Müller-Eiselt, R. ;T3n Magazin Nr. 44. S.29-33

Humboldt Universität; Wa(h)re Bildung. Einführung in Humboldts Bildugnskonzept; Zugriff am 28.09.2016

Bildquellen

Beitragsbild: MuK-Blog. Wagner. A, eigene Darstellung in Anlehnung an onlinewahn.de

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