Sind Kontrollen bei Online-Prüfungen zulässig?

Durch die Pandemie mussten zahlreiche Hochschulen schließen und ihre Prüfungen zum Teil sogar online abhalten. Damit dabei nicht zu sehr getrickst wird, setzen einige Universitäten und Hochschulen auf Überwachungssoftware oder Betreuer, die per Webcam zugeschaltet sind. Wie sollen Online-Prüfungen abgehalten werden, damit es fair bleibt, aber man nicht gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstößt?

Vor- und Nachteile von Online-Prüfungen

Einer der Vorteile von Online-Prüfungen ist, dass sie von den Studierenden ortsunabhängig durchgeführt werden können. Während der Pandemie mussten viele Studierende wieder zurück zu ihren Eltern ziehen, da Nebenjobs wegfielen und die WG oder Wohnung nahe des Campus zu teuer wurde. Nun wohnen viele Studierende möglicherweise hunderte Kilometer weit weg von ihrer Universität und müssten für jede Klausur oder Veranstaltung eigens anreisen. Wenig sinnvoll, wenn man wegen dem Infektionsgeschehen zwischenzeitlich immer wieder auf Reisen verzichten sollte. Außerdem können einige Studierende in Fächern mit mehreren Hundert Kommilitonen und Kommilitoninnen in einem Hörsaal kaum ausreichend Abstand einhalten.

Klarer Nachteil: Wie überprüft man, dass niemand schummelt? Bei Präsenzprüfungen kann man limitieren, welche Gegenstände mit in den Raum genommen werden dürfen: Schreibmaterial, eventuell Taschenrechner und Getränke bzw. Essen. Das lässt sich leicht kontrollieren, und der Dozent bzw. die Dozentin ist während der Klausur anwesend und kann erkennen, ob jemand immer wieder heimlich unter den Tisch schaut oder sich etwas auf der Hand notiert hat. Wie stellt man sicher, dass es bei Online-Examen fair zugeht? Viele Unis setzen hier auf die Aufzeichnung der Prüfung und Spähsoftware. Das wird von Datenschützern kritisiert und ist unter Umständen sogar rechtswidrig.

Grundsätzlich gibt es drei Prüfungsvarianten der Online-Klausur:

  • Closed-Book-Methode = nur Schmierzettel, Stifte und Taschenrechner sind erlaubt.
  • Open-Book-Methode = Gedruckte Hilfsmittel sind erlaubt.
  • Open-Web-Methode = Recherche im Internet ist erlaubt
Der Spickzettel wird bei Prüfungen leider immer noch angewandt.

Rechtliche Probleme

Stefan Brink ist Datenschutzbeauftragter des Landes Baden-Württemberg und geht gegen die Überwachung vor: „Dauerhafte Kontrolle von Studierenden in Prüfungssituationen durch technische Tools, die zu stark ins Private gehen, ist nicht akzeptabel“. Er hat jetzt einen Vorgabenkatalog erstellt, in dem geregelt ist, was erlaubt ist. So ist eine Aufsicht per Video erlaubt, diese darf aber nicht aufgezeichnet werden. Aber nicht nur die Kontrolle durch Kamera und Mikrofon kann problematisch sein. Sogar Spähsoftware wurde verwendet, um mögliche Betrüger und Betrügerinnen aufzuspüren. Bei Verstößen kann es zu Schadensersatzansprüchen kommen, so die FAZ. Das birge wirtschaftliche Risiken für Universitäten, wenn jetzt zahlreiche Studierende diese Ansprüche geltend machen würden.

Was kann Spähsoftware?

Die technologische Kontrolle per Software nennt sich „Online-Proctoring“ und greift zum Teil massiv in die Privatsphäre der Studierenden ein: Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat dazu ein Gutachten erstellt und festgestellt, dass vor allem Proctoring-Add-ons und eigenständige Software von Hochschulen genutzt werden. Add-ons, „die im Internetbrowser installiert werden, können sensible Informationen wie etwa besuchte Webseiten abrufen“. Und bei Software ist der Datenschutz noch geringer: „…könne auf nahezu alle auf dem System gespeicherten Informationen zugreifen und wäre dem Bericht zufolge sogar in der Lage, das System nachhaltig zu verändern.“ Die Prüflinge wissen zudem oft nicht, welche Daten erfasst werden, was wie lange gespeichert wird und welche Zugriffsrechte die Programme haben. Die GFF sucht nun klagewillige Studierende, die von Online-Proctoring betroffen waren und vor Gericht ziehen möchten.

Wie wirksam sind diese Kontrollen? Bei Browser-Add-ons und Software lässt sich das vielleicht klarer beantworten. Doch bei Mikrofon und Kameraüberwachung? Was außerhalb der Kamera ist, kann nicht eingesehen werden. So könnten Studierende trotzdem Spickzettel, Handy oder Formeltabellen nutzen. Sind die Prüfungen dann wertlos? Nein! Die Mehrheit der Studierenden ist ehrlich, und auch eine Umfrage des Handelsblattes bei Personalern zeigt: Unternehmen glauben nicht, „dass sich hier gerade ein Jahrgang gewiefter Corona-Profiteure online durchs Examen schummelt“. Online-Prüfungen sollten demnach abgehalten werden, wenn die DSGVO nicht gefährdet ist und ein klares Konzept vorliegt. Weniger Wissensabfrage und mehr Transferaufgaben könnten hier ein Ansatz sein.

Quellen:

SWR: https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/datenschuetzer-gegen-uni-kontrollprogramme-100.html?fbclid=IwAR3jUrP9gjZl7i3wevoUQRevdnslO2_60bHBStsODk7AbztlQnKQNBHV0hU

FAZ: https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/hoersaal/duerfen-studenten-bei-online-pruefungen-per-video-ueberwacht-werden-17234467.html

Handelsblatt: https://www.handelsblatt.com/politik/oekonomische-bildung/online-studium-zertifikat-durchs-schummeln-wie-sich-studierende-durch-onlineklausuren-tricksen/27099494.html?ticket=ST-4475260-AIpzeeNBKIbwg50EZeui-ap4

Spiegel: https://www.spiegel.de/panorama/bildung/studium-online-ueberwachung-von-pruefungen-ist-moeglicherweise-rechtswidrig-a-204f1942-da74-4b97-9d46-123513bbf7e7

Bilder:

Emiliano Cicero auf Unsplash: https://unsplash.com/photos/lq87UxGSiEQ

RODNAE Productions von Pexels: https://www.pexels.com/de-de/foto/person-schreibtisch-schreiben-schule-7092413/

Eva Bloch

Eva Bloch

Eva hat während ihrem Bachelor- und Masterstudium erste Berufserfahrung gesammelt. Momentan arbeitet sie in einem Industrieunternehmen als Werkstudentin im Bereich Unternehmenskommunikation. In ihrer Freizeit liest sie gerne, kocht oder macht Zumba.