Stalker im Internet treten oft unscheinbar in das Leben der Menschen. Es beginnt harmlos, doch artet zum Terror aus. Wir erklären dir im Folgenden auf Basis von zwei Erfahrungsberichten, wie du sie erkennst und mit dem Problem umgehst. Um die Opfer zu schützen wird in der Ich-Form geschrieben und keine Identitäten preisgegeben.
Ständiger Nachrichtenterror: Der Stalker, der mich nicht in Ruhe lässt
„Mein Stalker-Problem begann kurz vor meinem 18. Geburtstag vor ca. acht Jahren. Ich habe ihn auf Facebook kennengelernt. Dort hatte ich mein eigenes Profil mit Bildern von meinen Cosplays [Cosplay, EN: Komposition aus Costume und Play, beschreibt, das Hobby sich wie eine Fantasiefigur zu Kleiden und diese im echten Leben zu spielen. Anm. d. Red.] und nutzte eines als Profilbild mitsamt den Namen der Figuren als meinen Benutzernamen. Ich weiß nicht mehr, ob er mich so oder durch eine Gruppe gefunden hat. Letztendlich wurden wir „Freunde“ [auf Facebook] durch ein gemeinsames Hobby. Am Anfang war alles gut. Er war sehr freundlich und es gab keine Anzeichen, dass etwas mit ihm nicht stimmen würde. Wir telefonierten oft, auch als ich im Urlaub war. Da äußerte er den Wunsch, sich mit mir treffen zu wollen. Ich hatte damals nicht viele Freunde und er war jemand, zu dem ich einen Bezug hatte, deswegen war ich einverstanden. Ich schlug vor, dass er zu mir kommt, weil ich mich so sicherer fühlte, wenn ich eine Person nicht kannte.
Vor Ort bemerkte ich dann die ersten Merkwürdigkeiten. Ich möchte niemanden nicht nach seinem Aussehen beurteilen, aber er sah physikalisch sehr ungesund aus (blass, zitternde Hände). Sein Verhalten mir gegenüber war nie falsch, aber er war sehr still und unterwürfig, anders als im Internet. Das wird mir alles erst jetzt bewusst, wo ich darüber nachdenke. Er hatte gelogen mit seiner Herkunft und warum er wenig Geld dabei hatte. Auch verheimlichte er seine Drogensucht (von der ich etwas ahnte), die sich mir durch einen epileptischen Anfall bestätigte und als ich seine Taschen durchsuchte. Langsam bekam ich genug von ihm und wollte nicht für ihn zahlen meine Mutter ebenso.
Die Eskalation
Ich hatte ihm Hilfestellung gegeben, wie er wieder zum Flughafen käme, nachdem ich nach Anweisung meiner besorgten Mutter nach Hause gegangen bin. Seither hörte ich nichts von ihm. Ich war hin und hergerissen. Auf der einen Seite wollte ich niemanden in der Not lassen, auf der anderen Seite hatte ich noch mein eigenes Leben. Die Uni begann für mich und an meinem Geburtstag bekam ich einen unhöflichen und vorwurfsvollen Anruf vom ungarischen Konsulat, ich sollte zusehen, dass er wieder nach Ungarn kommt. Da meine Eltern und ich die ganze Stadt vergeblich absuchten, hatte meine Mutter die Idee den Notruf zu kontaktieren. Dadurch fanden wir ihn in einer Nervenklinik, die mentale Probleme sowie die Sucht vorgefunden haben. Am Ende war sein Flugticket nach Hause abgelaufen. Wir konnten klären, dass er trotzdem sicher Heim kommt.
Nach all dem rieten mir meine Freunde, nicht mit ihm zu reden, aber er versuchte sich verkrampft bei mir und meiner Mutter zu entschuldigen. Als wir ihm vergaben, ging dasselbe Spiel von vorne los, nur schlimmer. Je mehr ich mich distanzierte und Freiheit von meinem Telefon suchte, desto aggressiver und ausfallender wurde er. Er fing an, mir zu drohen und wusste wie er mir Angst machen konnte. Deswegen sprach ich heimlich mit ihm weiter, um ihn zufrieden zu stellen. Zu meiner eigenen Sicherheit. Ich fühlte mich unsicherer im Internet und erstellte Profile mit falschen Namen. Aber jedes Mal als ich eine Nachricht von ihm bekam, brachte dies psychosomatische Probleme mit sich. Ich bekam Panikattacken begleitet von Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Stress und Magenschmerzen.
Der Lösungsweg
Ich verständigte die Polizei, die mich ermutigte, zu ihnen zu kommen, aber mit allen Problemen vor Ort, kümmern sie sich wenig um Internetprobleme. So verschwand ich zeitweise aus dem Internet und war nur dort (mit falschem Namen), wo er mich nicht finden konnte.
Rückblickend würde ich viele Dinge anders machen, aber in dem Alter war es schwierig für mich. Um es vorzubeugen, hätte ich besser auf meine Freunde als auf meine Mutter gehört und ihm nicht verziehen und nicht mehr mit ihm gesprochen. Der Vorfall vor Ort hätte genug für mich sein sollen und dort stoppen sollen. Ich hätte die erste Möglichkeit des Kontaktabbruchs nutzen sollen, aber ich habe es nicht getan.
Um damit klarzukommen, versuche ich nicht an meinen Stalker zu denken. Doch manchmal findet er mich dennoch, weil wir in derselben Community sind und andere meine Fotos teilen und dann bekomme ich Panikattacken und lösche alles, woran ich hart gearbeitet habe, was ich wahrscheinlich nicht tun wollte. Mittlerweile kontaktiert er meine Mitmenschen, damit sie mir Nachrichten von ihm weiterleiten. Ich versuche mein bestes, dass es mir egal ist, auch wenn ich weiß, dass es hinter meinem Rücken passiert, bitte ich sie einfach, ihm nicht zu antworten. Aber ich speichere die Nachrichten in einer Ablage, um sie als Belästigung zur Polizei zu bringen, wenn ich genug haben sollte.
Um mich zu beruhigen, frage ich mich einfach, was ist das schlimmste, was er mir antun kann? Grundsätzlich kann er mich nur einschüchtern. Dennoch sollte man immer auf Alarmbereitschaft sein, weil solche Leute unberechenbar sein können. Trotzdem sollte es nicht das eigene Leben diktieren. Man muss weitermachen. Zwar verwische ich meine Spuren im Internet, aber es ist nicht meine Aufgabe, mich zu verstecken, es ist an ihm das zu unterbinden. Ich tue es, weil es mir Frieden gibt. Aber wenn es nicht aufhört gehe ich zur Polizei.“
Fake-Profile hinter meinem Rücken: Der Stalker, der mir nachstellt und meinen Ruf schädigt
„Mein Stalker-Problem liegt ca. 7-8 Jahre zurück. Damals war ich Anfang 20. Ich war in einer Fan-Community auf Facebook und hatte eine Seite und später ein entsprechendes Profil. Wie aber in jeder Fangemeinde, gab es auch hier Querulanten. So richtete ich mich in meiner Verzweiflung an den Rat eines ehemaligen Freundes freundlich und offen zu jedem zu sein. Dies hatte miteingeschlossen, dass ich schnell meine Identität preisgegeben hatte und viele auch auf meinem persönlichen Konto hinzugefügt hatte. Zu viele, wie sich später herausstellen sollte.
Ich habe nicht verstanden, was passiert ist, wie es passiert ist, geschweige denn warum. Plötzlich war da ein Troll, der mich privat wie in der Gemeinde terrorisierte. Hasskommentare und direkte Beleidigungen (auch gegen die Nationalität meiner Herkunft) sollten da noch mein geringstes Problem gewesen sein. Ich entdeckte eine Fake-Seite meiner eigens kreierten Figur, meine Zeichnungen sowie Bilder, die für mich erstellt wurden, wurden ohne Genehmigung benutzt und schlimmer als das wurden sie genutzt, um meine Figur in den Dreck zu ziehen. Das nicht genug, wurden auch teilweise persönliche Informationen von mir (Geburtstag, E-Mail-Adresse) auf diesen Seiten veröffentlicht. Der Troll behauptete sogar, meine Lieblingssängerin (auf der meine Figur basierte) kontaktiert zu haben, die sauer auf mich über diese Tatsache gewesen sein soll. Panik und Stress (Verfolgungswahn) haben mich begleitet, während mich das alles runtergezogen hat…
Der Lösungsweg
Meine gesamte Aufmerksamkeit widmete ich, herausfinden, wer dahintersteckt. Mein Fokus wurde das Internet. Dies ist mir mit Nachdruck gelungen. Das erste, was ich tat, war sämtliche Profile, die mit der Person zusammenhingen zu blocken. Doch der Terror ging weiter. Schlussendlich, stellte ich mich meiner Angst und habe von dieser Person Rede und Antwort gefordert mit mir – entgegen meiner Prinzipien – in einer erniedrigten Rolle. Es stellte sich heraus, dass sie in ihrer Einbildung Selbstjustiz ausübte. Der Vorwurf war, ich hätte die Freunde dieser Person verletzt und meine Figur würde durch und durch aus 1:1 geklauten Ideen bestehen und andere in den Dreck ziehen (weshalb diese Person mein Material unbefugt nutzte). Nicht zuletzt würde ich die bestehende Geschichte zu radikal ändern. Sie forderte mich auf, meine Figur nach ihren Vorstellungen zu ändern. War dies alles getan, verhängte sie eine Probezeit (auf unbestimmte Zeit), sämtliche Seiten zu löschen.
Ich wandte mich an die Polizei, den Facebook-Support und ging schließlich den Forderungen nach. Als mir klar wurde, dass die Probezeit und Qual nie enden würden, löschte ich meine sämtlichen Seiten und brach jeglichen Kontakt zu den Personen, die ich damit verband, ab. Ich war angewidert von einer Sache, die ich sehr liebte, und von meiner eigenen Kreation (die sonst gut ankam). Es kostete mich Jahre zu begreifen, dass diese Person Kontinente weit entfernt von mir war, mich niemals erreichen und mir nicht schaden konnte. Ihre Vorwürfe waren haltlos und auch, dass meine Lieblingssängerin böse auf mich wäre. Ich erlangte genug Selbstbewusstsein, um meine Liebe zu meiner Muse und meinem Hobby zurückzufinden. Mit der Gewissheit, dass meine Mitmenschen mich und eine Fälschung unterscheiden können und sich nichts erzählen lassen würden, machten mir die Fake-Profile hinter meinem Rücken keine Sorgen mehr.
Dennoch bin ich seither vorsichtig mit meiner Identität und mit dieser Distanz freundlich zur Community.“
Frühe Aufklärung ist gefragt
Das Internet ist gefährlich, wie Elizabeth Olsen hier sagt „narzisstisch“ und auf Dauer oder gerade deshalb auch zeitraubend. Dennoch ist es mittlerweile ein Grundbestandteil unseres Lebens. Diese beiden Erfahrungsberichte haben uns vor allem gezeigt, dass Jugendliche leichte Opfer von Internetkriminalität werden, aber auch dass unser Justizsystem verwerflicherweise nicht ausgereift ist und in diesem Zusammenhang nicht mit dem Fortschritt der Technik gegangen ist. Ein gutes erstes Krisenmanagement, ist nicht jedem zu antworten und sich nicht vor jedem verantworten zu müssen. Teilweise kann selbst die frühe Aufklärung nicht genug sein. Auch sollte das Problem zu ignorieren nicht die optimale, langfristige Lösung sein.