Mietrecht für alle: Startup LAWIO im Interview

Das Berliner Startup LAWIO kümmert sich um die 48.000.000 Mieter in Deutschland! Auf der Seite lawio.de findet man eine Menge Informationen rund um das Mietverhältnis. Außerdem können kostenlose Schadensmeldungen gemacht werden. Am 9. Oktober ging die Seite online. Ich durfte mit Lea Bötticher und Sebastian Blanke, den Geschäftsführern des jungen Unternehmens, ein Interview führen.

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Auf lawio.de Mängel melden und Miete mindern! – © Sebastian Blanke

M: Stellt euch und das Unternehmen doch kurz vor!

S: Wir sind Lea und Sebastian von LAWIO. Wir sind insgesamt fünf Gründer – wir beide haben praktisch angefangen, die Idee kam von uns. Dann kamen noch Sandro und Julia dazu. Die beiden kümmern sich zurzeit größtenteils um die IT. Dann haben wir noch Timo, ein Rechtsanwalt aus dem Fachgebiet Mietrecht mit dabei. LAWIO ist ein Legaltech-Startup aus Berlin. Bei uns geht es um die 48.000.000 Menschen in Deutschland, die in Mietshaushalten wohnen. Wenn sie irgendein Problem haben in ihrer Wohnung, wenn also zum Beispiel das warme Wasser ausfällt, die Heizung defekt ist, eine Baustelle in der Nähe ist oder sie Schimmel in der Wohnung haben – es gibt hunderte Arten von Mietmängeln – die Mieter können dann einfach auf unsere Plattform gehen und sich durchklicken. Bis jetzt haben wir einen Dokumentengenerator online, mit dem sich Nutzer eine rechtssichere Schadensmeldung erstellen können. Die Schadensmeldung ist wichtig, da nur nach korrekter Anzeige an den Vermieter eine Mietminderung geltend gemacht werden kann. Diese erste Hürde erleichtern wir den Mietern jetzt schon. Im nächsten Schritt wollen wir den Mietern jedoch noch mehr Last abnehmen. Mieter können, nachdem sie alle Schadensangaben gemacht haben, den Fall komplett an uns abgeben. Unser intelligenter Algorithmus prüft dann, ob für den Fall Mietminderung geltend gemacht werden kann. Falls dem so ist, erfolgt die komplette Abwicklung über uns und das zurückerhaltene Geld fließt – nach Abzug einer Provision für uns – an den Mieter, dessen Mangel in der Wohnung dann hoffentlich auch schnellstmöglich behoben wird.

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Lea und Sebastian – Geschäftsführer von LAWIO – © Sebastian Blanke

 

M: Wie ist die Idee entstanden? Wie hat sich das Konzept entwickelt?

L: Die Idee ist tatsächlich aus einem rein persönlichen Problem entstanden. Sebastian und ich wohnen zusammen in einer WG und wir hatten im Winter letzten Jahres kein warmes Wasser. Das war auch nicht nur für zwei Tage der Fall, sondern hat sich auf drei Wochen hingezogen. Das war sehr, sehr unangenehm. Wir haben sogar unsere Fitnessstudio-Mitgliedschaft genutzt und sind dann dort duschen gegangen (lacht). So haben wir jedenfalls bemerkt, dass es enorm schwierig ist, an Informationen zu kommen. Beziehungsweise gibt es hier und da im Internet zwar Infos zu finden, jedoch ist die Umsetzung einfach sehr schwierig. Als wir uns dann fragten, warum es so etwas noch nicht gibt, haben wir angefangen an der Idee herum zu schrauben. Es gibt ja auch schon andere Legaltech-Startups die sich um andere Ansprüche kümmern aber eben noch nichts für Mieter direkt. Was man dazu sagen muss, ist, dass es immer ein enorm großes Ungleichgewicht zwischen Mieter und Vermieter gibt. Der Vermieter hat meistens viel höhere Rechtskenntnisse – je nach dem hat er sogar eine eigene Rechtsabteilung. Der Mieter hat meistens keine Ahnung was er überhaupt für Rechte hat. Das wollten wir ändern!

 

M: Und eure Zielgruppe sieht wie aus?

S: Unsere Zielgruppe sind erstmal alle Mieter in Deutschland. Vielmehr die Hauptmieter die in Miet-Immobilien wohnen. Vor allem aber konzentrieren wir uns auf die urbanen Regionen, also die Großstädte in Deutschland. Hier besteht oft kein persönliches Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter. Hier sind oft sehr große Hausverwaltungen verantwortlich für die Wohnungen. Nicht wie auf dem Land, wo der Nachbar meistens gleichzeitig auch der Vermieter ist. In Großstädten ist der Kontakt schwierig, die Kommunikation funktioniert oft nicht. Hier, wo das Verhältnis eher anonym ist, wollen wir als Vermittler agieren.

 

M: Was unterscheidet euch von euren Wettbewerbern? Was macht LAWIO besonders?

S: Im Vergleich zum Mieterverein oder zum Mieterbund, in welchen man Mitglied sein muss und was ja quasi nichts anderes ist, als eine Rechtsschutzversicherung für Mieter (Rechtsschutzversicherungen bieten je nach dem auch so etwas wie Mieterschutz an), sind wir die Lösung für Leute, die nicht Mitglied in solchen Organisationen sind oder die keine Rechtsschutzversicherung haben. Wir sind die Lösung für Mieter, die einen akuten Schaden haben und sofort eine Lösung haben wollen.

 

M: Wie funktioniert euer Geschäftsmodell genau? 

Wir sind die ersten die wirklich einen intelligenten Algorithmus entwickelt haben, der eine Datenbank mit allen Mietrechtsurteilen durchsuchen kann und daraus in Echtzeit – sehr präzise – die Erfolgschance, sowie die Höhe der Mietminderung berechnen kann. Außerdem ist unser Automatisierungsgrad sehr hoch entwickelt. Alle Dokumente werden automatisch erstellt. Da sind wir momentan die einzigen Anbieter.

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Das Team von LAWIO: v.l. Sebastian Blanke, Lea Bötticher, Alessandro Bartsch, Julia Baumbach, Timo Kühnel –  © Sebastian Blanke

 

M: Ihr sitzt ja in Berlin. Wieso genau habt ihr euch für die Hauptstadt als Standort entschieden?

S: Zum einen, weil wir hier studieren und wohnen. Zum anderen ist Berlin praktisch die Hochburg der Gründerszene in Europa. Gerade mit dem Brexit ziehen viele Investoren, Geldgeber, Startups und junge, innovative Menschen nach Berlin. Deshalb ist Berlin im Moment der beste Standpunkt um tatsächlich zu Gründen!

 

M: Wie war das mit der Finanzierung für LAWIO? Habt ihr Fremdkapital aufgenommen oder ist alles komplett selbst finanziert?

L: Wir sind hier in Berlin in einem Startup Inkubator und werden seit Juli gefördert durch das „Berliner Startup Stipendium“, das sind Mittel aus der Europäischen Union und vom Land Berlin. Das hat uns schlussendlich auch ermöglicht in Vollzeit an unserem Projekt zu arbeiten. Davor hatten wir alle noch Nebenjobs um das ganze finanzieren zu können. Momentan sind wir auch auf der Suche nach Investoren. Es laufen derzeit mehrere Gespräche mit Business Angels und VCs. Das wird jetzt nach unserem Launch am 9. Oktober wieder akuter und konkreter.

M: Wie wird die Finanzierung in Zukunft laufen?

S: Wir hoffen, dass wir uns so schnell wie möglich selbst tragen können. Um so schnell wie möglich einen Break Even erreichen zu können, haben wir dementsprechend unser Preismodell angepasst. Natürlich hoffen wir wie gesagt auf Investoren. Leider sind diese Gespräche immer sehr langwierig. Es gibt auch noch die Option das Stipendium um weitere sechs Monate zu verlängern. Wir hoffen jedenfalls, dass wir uns bis zum Ende des Stipendiums mit einem Investor einigen konnten.

 

M: Lief beim Aufbau der Plattform alles Reibungslos? Was gab es für Hürden oder Schwierigkeiten zu bewältigen?

S: Natürlich gab es einige Schwierigkeiten. Zum Beispiel brauchten wir eine Inkassolizenz wofür wir unter anderen einige bürokratische Dinge erledigen mussten. Das war alles etwas aufwändig, das hatten wir uns zu Anfang einfacher vorgestellt. Wir sind vielleicht auch etwas zu naiv an die Sache herangegangen. Nachdem wir aber diese kleinen Hürden überwunden hatten, haben wir es in den letzten Monaten relativ schnell zur Marktreife geschafft. Soweit ist ansonsten alles relativ gut gegangen.

 

M: Wie sehen eure nächsten Schritte aus? Was versprecht ihr euch für das erste Jahr und was habt ihr für Vorstellungen für die nächsten 5 Jahre?

S: Am 9. Oktober haben wir mit der kostenlosen Schadensmeldung gestartet. Bis Ende diesen Jahres wollen wir die Mietminderungsprüfung online schalten, so dass dann direkt eingesehen werden kann, ob der Antrag auf Mietminderung Erfolg hat. 2019 wollen wir weitere Produkte im Mietrecht entwickeln. Langfristig wollen wir digitale Standards in der Rechtsbranche etablieren um wirklich jedem den Zugang zum Recht zu ermöglichen – ohne Kostenrisiko. Dies ist nämlich der Grund, dass so wenige Mieter tatsächlich ihre Rechte wahrnehmen.

 

M: Seit 9.10.18 ist LAWIO nun online. Wie geht ihr nun bei der Steigerung der Reichweite vor?

S: Am Anfang wollen wir uns auf Online Marketing konzentrieren. Das ist ideal um schnell an Zahlen ranzukommen. Es gibt keinen Marketingkanal, der so gut messbar ist wie der des Online Marketing. Wir werden dann später die Erfolge der einzelnen Kanäle auswerten und uns dann entscheiden an was wir uns dementsprechend in Zukunft orientieren. Ob das dann Suchmaschinenoptimierung ist, die Social Media-Kanäle oder vielleicht auch Offline Marketing können wir jetzt noch nicht sagen. Außerdem wollen wir uns auch starke Partner suchen um je nach dem Traffic austauschen zu können.

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Team LAWIO im Startup Camp 2018 – © Sebastian Blanke

M: Wie wird ab sofort euer Arbeitsalltag aussehen?

S: Die Arbeitszeiten werden sich hoffentlich nicht groß verändern. Allerdings wird es eine Verschiebung geben. Im Moment konnten wir uns voll und ganz auf die Produktentwicklung konzentrieren. Jetzt kommt dann das Alltagsgeschäft hinzu. Es werden Kundenrückmeldungen kommen. Die externe Kommunikation mit Kunden hatten wir bisher ja noch nicht. So verschiebt sich also unser Tätigkeitsbereich.

L: Ich glaube auch es wird sich mit der Zeit einspielen. Man kann ja jetzt noch gar nicht abschätzen wie die Kunden drauf reagieren. Trotz allem wird unser Hauptaugenmerk die Weiterentwicklung des Produkts sein, damit wir wirklich Ende des Jahres mit einer grösseren Produktpalette auftreten können.

 

M: Wenn ihr nun auf den Aufbau von LAWIO zurückblickt, würdet ihr etwas anders machen? 

L: Ich glaube nicht, dass wir irgendetwas anders machen würden. Ich glaube dadurch, dass wir jetzt einfach mehr Erfahrung haben, würden viele Dinge schneller funktionieren. Behördengänge würden früher getätigt werden, da man jetzt weiß, dass man alles viel früher beantragen muss, als man es eigentlich braucht, damit auch alles rechtzeitig da ist. Wir würden wahrscheinlich alles schneller über die Bühne bringen… auch wenn man jetzt rückblickend nicht sagen kann, dass wir sehr lange gebraucht hätten. (lacht)

M: Habt ihr ansonsten Tipps für Jungunternehmer oder Gründer?

S: Das wichtigste ist, so schnell wie möglich einfach anzufangen! Wir hatten davor schon viele andere Ideen die wir dann monatelang im Kopf herumgesponnen, aber nie damit angefangen haben. Perfekt ist, sich dafür eine Anlaufstelle, wie zum Beispiel ein Accelerator-Programm oder ein Startup-Programm von Hochschulen zu suchen. So kriegt man einen Einblick in die ganze Infrastruktur und erhält viel Unterstützung. Was ich auch empfehle, ist, nicht zu versuchen alles alleine zu machen. Wenn es Kompetenzbereiche gibt, die man eben nicht abdecken kann, sollte man sich Gründungsmitglieder suchen, und schnell ein kompetentes Team bilden. Dies sollte groß genug sein um alle Kompetenzbereiche abzudecken, sodass man so schnell wie möglich anfangen kann.

L:  Man sollte auf keinen Fall zu große Angst vor Fehlern haben. Diese passieren und meistens kann man sie auch wieder korrigieren. Man sollte sich dahingehend nicht so einen großen Kopf machen.

 

Wir danken Lea und Sebastian für das ausführliche Interview und wünschen dem gesamten Team von LAWIO alles Gute und weiterhin viel Erfolg!

 

Bildquellen: Alle Bilder wurden von Sebastian Blanke zur Verfügung gestellt!

Mirjam Rudolph

Mirjam "Mila" Rudolph ist seit ihrem Studium an der SRH als Texterin für verschiedene Online-Anbieter tätig und arbeitete im Bereich der Sozialen Medien für ein Schweizer Uternehmen. Außerdem schrieb sie aktiv für das Wochenblatt ihrer Region und ist nun als Freie Journalistin selbstständig. Sie beschäftigt sich intensiv mit Medienproduktion, Journalismus, Schriftstellerei, Verlagswesen und Social-Media-Management. Mittlerweile sammelt sie Erfahrungen in den verschiedensten Bereichen der Medien- und Kommunikationsbranche und will in Zukunft in diesem Bereich erfolgreich sein.