Frauen an die Macht (alles Vintage)

„Vintage“, das habe ich sooft gelesen bei der diesmaligen Ausstellung des Kunstvereines in der Talstrasse in Halle über Frauen und dauernd kam mir der Song von RIN dazu in den Kopf. Alles Vintage, Ihr macht alle nichts mehr Neues“1, alles Vintage…


…. aber in diesem Fall habe ich gedacht: ‚Was soll das? Wieso schwirrt Dir der Song dazu im Kopf herum? Die Ausstellung ist so klasse.‘

Ausstellung über Frauen

Ich würde sogar sagen, das ist eine der Besten der Talstraße bis jetzt. Es, also der Term „Vintage“, stand halt nur immer unter den Fotos von Barbara Köppe… Vintage…. Drum schwirrt es mir halt im Kopf rum… „Vintage, alles Vintage… ich bring den Vibe back… alles Vintage“1… was für ein Vibe, ein Frauenvibe, ein #metoo inspirierter Vibe. Seitdem die Medien jetzt nur noch über den Klimawandel reden gerät der ganze #metoo vibe völlig unter den Tisch der Vergessenheit.

Also, wenn Ihr jetzt hier Probleme mit dem Klima habt, dann geht ruhig mal in die Ausstellung der Talstraße. Die haben eine Klimaanlage!… und dann könnt Ihr Euch endlich mal wieder auf die ganze Frauen-Sache konzentrieren… allerdings… sind Klimaanalgen jetzt eigentlich ungesund für das Klima? Ich sollte mal Greta fragen, wenn sie sich nicht gerade mit dem Paddelbot über den Werbesee schippern läßt. Ich meine, die ist ja auch fast eine Frau. Vielleicht sollte sie auch mal für Frauen und Mädchen streiken, vielleicht am Donnerstag? Sonst gerät die Sache noch ganz in Vergessenheit und wir schaffen nicht den 30%igen Anteil von Frauen in den Chefetagen.

Wir schaffen dann nur die Rettung des Klimas… und was haben wir denn dann davon, wenn die Welt trotzdem von Männern dominiert wird – hä? Also Leute! Lasst mal die Greta schippern und kommt in die Talstraße, da gibt es extraklasse Bilder und Plastiken von starken Frauen für starke Frauen… ja, auch für normale Frauen, Männer, Kinder und d. Aber die Meisten der ausstellenden Damen lebten in der Zeit mit den zwei Weltkriegen… Da gab es noch keine Klimaprobleme und ihre Kunst ist so unterschiedlich… so unterschiedlich, wie Käthe Kollwitz zu Kiki Kogelnik.

Die Treppe zu der Fotoshow erklimmend, mit Gedanken im Kopf wie ‚Ohhhhhhh man… nicht schon wieder dieses DDR Zeugund dann ‚Och nee, wie früher aus längst verdrängten Zeiten‘ … da erinnern einen die Frauenfotos der Frau Köppe aus dem VEB Kosmetik Kombinat auch an die VEB Chemische Werke Buna…. „Können wir bitte lieber wieder runtergehen zu den facettenreichen Malereien und Skulpturen der facettenreichen Frauen der zwei Kriege?
Ich möchte dieses andere längst vergangene Elend hier oben nicht sehen!“

Herrjeh! Wo bleiben die Fotos der Frauen von heute?…. und dann plötzlich bei der Tür ein Foto, was mich sofort fesselte und mich Peng! Peng! Peng! in die heutige Zeit hineinschoss.

Flyer der Kunsthalle Talstrasse zur Fotoausstellung von Barbara Köppe.

Das Foto stellte eine Arbeiterin in der Produktion des Kosmetikbetriebes aus längst vergangenen Tagen dar, die gerade eine Pause machte und neben ihr hing ein Werbeplakat dieser Kosmetik mit zwei zurechtgemachten Models… heut zu Tage würde man sagen „gephotoshopt“… und meine Augen gingen hin und her – rechts – links – rechts – links, von der Wirklichkeit zum Schein – rechts – links – rechts – links.

Frauen, oder eigentlich Menschen, wie sie wirklich sind und Menschen, wenn sie aufbereitet sind.
Klar will keiner die Dame von rechts auf einem Werbeplakat sehen, aber ist das denn richtig, wenn wir uns immer wieder eine Scheinwelt vor die Nase setzen lassen? Ist denn unser Leben nur ein hochglanzpoliertes Photoshop Foto auf Instagram, was uns immer wieder Perfektion anmahnt?
Vielleicht mögen wir ja deswegen die Kunst, weil die manchmal eben auch absolute Hässlichkeit darstellen darf und trotzdem geliebt und hochgehandelt wird. Im Gegenteil, wenn ein Bild nur schön ist, ist es nicht interessant. Dann ist es langweilig – aha?!?… naja, außer vielleicht Babykatzenbilder, die sind nie langweilig oder Hamstervideos auf YouTube.

ABER! Der wahre Kunstverstehendvorgebende sucht das Abstrakte, das Unnormale, das Nicht-Konservative, das Andere, das Faszinierende, also das, was die Frauenausstellung der Talstrasse diesmal mit „Die schaffende Galatea“ auf dem Ausstellungsplan hat. Hm – da kacken die Katzen und Hamster jetzt ein bisschen hinten ab.

Ich habe schon lange nicht mehr soviele faszinierende Bilder auf einen Haufen gesehen und Hölle, wir hatten für die Ausstellung diesmal nur 45 min eingeplant. Dann war Ladenschluss in der Talstrasse und additional Dinner beim grummelig-arroganten Italiener eingeplant. Und ja, ich esse Steak, auch wenn meine Klimabilanz gerade kopfschüttelnd den Saal verlässt. Ach, liebe Greta, wie kann ich das jeh wieder gut machen. Ich schäme mich zutiefst – aber das Steak war erstklassig.

Ganz allein durchstreiften wir die klimatisierten Hallen, was dem Ganzen auch noch obendrauf solch absolut perfekte Atmosphäre gab… und am Allerbesten, als das Spotlight eingeschaltet wurde – WOW! Mystik der Frauen.

Die Mystik der Frauen aus längst vergangenen Zeiten… Wie aktuell ist das denn heute noch? Und warum gibt es keine Kunst von Frauen aus dem hier und jetzt in der Ausstellung zu sehen?
Es stimmt schon, die Zeit um die Weimarer Republik war eine absolut spannende. Für Frauen genauso wie für Männer. Auch, wenn’s böse geendet hat war das eine gute Zeit der Veränderung, eine gute Zeit des Aufbruchs – hey! Das Bauhaus wurde zwischen zwei Kriegen geboren und die Frauen wurden öffentlich, immer mehr Schritt für Schritt. Wo sie früher (… naja, und eigentlich auch jetzt noch) den Männern zu ihrem Erfolg verhalfen, veröffentlichten sie jetzt nach und nach ihr eigenes ICH.

„Hinter einem starken Mann steckt immer eine starke Frau!“ „Hinter einer starken Frau steckt immer eine noch stärkere Frau!“
Die Frauen haben Kunst, Politik und Wirtschaft schon immer beeinflusst. Sozusagen von Lilith bis Merkel.
Wenn sie keine einflussreiche Lobby hatten hat Mann sie aus dem Paradies vertrieben, verbrannt und gesteinigt. Aber bei der stillen, heimlichen, aber kritischen Kunst, hieß es dann vielleicht: „Ach, Herr Patriarchat, meine Frau malt sehr hübsch.“ „Oh, eine wirklich schöne Beschäftigung! Meine auch.“  … und schon, hunderte Male hier geschrieben, der Herr Nietzsche hatte es schon damals gewusst: Die Emanzipation der Frau macht nur Schaden!2 Hölle! Wer passt denn da auf die Kinder auf und koordiniert den Haushalt? Also dann doch lieber hin und wieder zeichnen als Vollzeit geldverdienender Einfluss. „Her mit den Farben und dem Pinsel! Her mit Ton… Steine… Scherben! Wir ändern trotzdem die Welt!“

UND? Was ist da jetzt bei herausgekommen?

Gar so ein Bild von Dörte Clara Wolff, also von Dodo? Glamour und Mode der 20er Jahre? Ich muss da dauernd an die damalige Einrichtung des Kornhauses in Dessau denken. Da würden ihre Bilder herrlich zu passen. Schöne Frauen, die wissen, was sie wollen…. zufriedene Blicke der Überlegenheit. Bilder von 1929.

Dörte Clara Wolff ist 1907 in Berlin geboren und hatte demnach schon einen Krieg der Männer miterlebt. Sie wird noch einen zweiten miterleben und dann 1998 in einer deutsch-deutschen Weltumbrechzeit mit 91 Jahren in London sterben. 1929 hat sie keine traurigen Bilder gemalt. Schade, dass die Ausstellung der Talstraße nur Bilder aus dem Jahr 1929 von ihr zeigt. Was kam danach? Kinderbücher, Landschaften und Stillleben? Warum?

Sie hat den Glamour der Zeit vor dem 2. WK gemalt, Käte Kollwitz das Elend beider Kriege dargestellt.
So düster und schlimm, dass ihre Bilder fern ab vom Glamour einer Kriegsverdrängungszeit in der dunklen Ecke über dem Piano in Szene gesetzt wurden. Ich habe immernoch Gänsehaut, wenn ich daran denke. Elend und Glamour in Wirklichkeit doch so nah beieinander .. so düster und traurig der Kätes Bilder. Sie hat die Kriege gesehen. Die Spaßzeit dazwischen hat sie nicht gesehen. Sie wurde 1867 geboren und hat ebenso 2 Weltkriege erlebt mit einem ganz anderen Blick auf die Situation wie z.B. Jeanne Mammen.

Da erinnern mich ihre beiden Frauenbilder „Brustbild einer Frau mit spitzer Nase und Krawatte“ und „Brustbild einer Frau von rechts“ von 1935/1940 eher an die heutige Zeit: „Was geht mich das an?…. Ist mir egal!“
Allerdings, wenn man genau hinsieht, also ganz genau, dann könnte der Blick der beiden Damen, so von unten nach oben auch heißen: „Ich muss ja sowieso machen, was Du willst. Was soll ich dazu noch für eine Meinung haben?“… und bei dem Bild „Brustbild einer Frau von rechts“ könnte noch folgender Satz dazugedacht werden: „Dafür garniere ich Dir Deinen Sonntagstee mit den hübschen lila Blüten von der hübschen Pflanze, die da bei uns im Garten gerade so hübsch lila blüht.“

Ein drittes Bild „Frau mit hohen Backenknochen von links“ von ihr in der Ausstellung, leider nicht im Katalog, faszinierte mich aber am meisten. Ich hätte gedacht, das wäre ein Selbstbildnis der Künstlerin.
Ein sehr schönes Bild, eine Frau darstellend mit kritischem skeptischem Blick. Die war swag. Die hatte Charisma.

Was auch überaus interessant war, waren die Portraits der Frauen. Da waren keine Schönheitsköniginnen mit lala-dummi-tralala-Schönheitsindustrie-Blick. Nö, diese Frauen hier schauten alle ernst, sogar ein bisschen derb. Haarscharfe Konturen, wie bei den Portraits von Elfriede Lohse-Wächtler um 1930. Wobei sie aber hingegen das Stadtleben und den Akt eher schwammig darstellte. Das waren dort ganz andere Frauen, die da auf der Straße oder nackt auf dem Sofa präsentiert wurden. Die waren so verschwommen und unwirklich und charakterlos. Die Frauenköpfe ihrer Portraits hatten dagegen einen unglaublichen Charakter und blickten einen tief in die Seele.

Die Frauenbilder der 70er Jahre waren genau wie die 70er Jahre… z.B. die von Susanne Kandt-Horn, kurz vor dem ersten WK geboren, erinnerten mich irgendwie an Bilder die auch im VEB Chemische Werke Buna aufgehängt waren. Schien der Malstil dieser Zeit zu sein.

Richtig gelungen fand ich das Bild „Am Abend“ von 1974 mit einer Frau die den Betrachter so selbstbewusst und provozierend anschaut: „Naund! Dann hab ich eben ein schwarzes Baby. Was wollt Ihr dagegen tun, hä?“ Ein absolut unglaublich gutes Bild…. und auch so absolut nach meinem Geschmack die Bilder von Herta Günther. Hier hat Frau einen guten Vergleich der Frauenzeichnungen zur Zeit der Weimarer Republik mit der Frauenkunst der 70er/ 80er/ 90er.
Auch, wenn die Bilder der Frau Günther so aussehen, als stellen sie die Frauen vergangener Epochen dar, spiegeln die Frauen auf ihren Bildern ganz gewiss nicht die Zeit wieder in die sie hineingemalt wurden. DIE schauen aus einer späteren Zeit auf uns hernieder.

„Die Dame mit Hut“ denkt: ‚Was willst Du kleiner unbedeutender Wurm von mir? Mit Dir gebe ich mich nicht ab. Du kannst mir nicht das Wasser reichen! Du gehst in meinem Schatten verloren. Verpiss dich!‘
Die „Wartende mit Zigarette“ blickt gelangweilt auf ihr Umfeld und denkt: ‚Herrjeh! Was mache ich hier eigentlich? Nur Idioten um einen herum.‘ und der „Halbakt“ denkt: ‚So, ich bin nackt. Was nu, du Blödmann!‘

Naja, und die Frauen mit den Masken…. Na? Was ist da wohl die Interpretation? Jetzt wie früher und wie immer und wie immerdar….. Na? Ratet mal! – alles Vintage.

Frauen halt
Frauen halt…. ¯\_(ツ)_/¯

1 – RIN mit „Vintage“

2 – Nietzsche …. ich suche die Stelle noch mal für Euch raus, wenn ich mal Lust und Zeit dazu habe.

Jana Beyer

Jana hat mit Medien- und Kommunikationsmanagement eigentlich gar nichts zu tun. Sie arbeitet im Bereich Learning / Managementsysteme eines großen Chemieunternehmens. Seit sie sich das erste Mal mit dem Internet vertraut machte, interessiert sich die gelernte Laborantin mit BWL Studium für digitale Medien, Design und das Gestalten von Webseiten. Ihr liebstes Hobby ist die www.Kulturspalte.de. Das Masterstudium an der SRH absolviert Jana „einfach nur, weil es eben interessant ist!“.