Klimakompensation: Geht diese Rechnung auf?

Du buchst einen Flug oder kaufst ein Produkt und pflanzt damit einen Baum. Immer mehr Unternehmen werben damit, klimafreundlich oder sogar klimaneutral zu handeln. Das Wort Nachhaltigkeit gehört mittlerweile in das Repertoire jeder Marketingabteilung. Allen voran der Ausdruck Klimakompensation oder Climate Offsetting. Doch was steckt hinter diesen Begrifflichkeiten? Wie sinnvoll ist das wirklich? Hier erhältst du Hintergrundwissen zum Thema und erfährst, was die drei umsatzstärksten deutschen Medienunternehmen in Sachen Umweltschutz tun – Denn gerade als Akteur im Kommunikationsbereich ist es wichtig, hierüber Bescheid zu wissen.

Der Begriff „klimaneutral“

Klimaneutral – Man begegnet diesem Begriff im Alltag immer öfter. Klimaneutrale Auslieferung, klimaneutrale Produktion, klimaneutrales Unternehmen. Im ersten Moment mag dieses Wort erscheinen, als würde durch das Handeln des Unternehmens gar kein CO2 anfallen. Dem ist aber nicht so. Die Bezeichnung klimaneutral sagt lediglich aus, dass durch die Tätigkeit die Menge an klimaschädlichen Gasen in der Atmosphäre nicht erhöht wird. Ohne jeglichen Ausstoß von CO2 zu produzieren, ist gewissermaßen unmöglich. Das Wort kann also nicht automatisch so interpretiert werden, dass ausschließlich positive Effekte auf die Umwelt stattfinden.

Was ist Klimakompensation?

Um das angefallene CO2 auszugleichen, bestehen für Unternehmen mehrere Möglichkeiten. Am nachhaltigsten ist es, die eigenen Prozesse unter die Lupe zu nehmen und somit schon durch die Herstellung bzw. den Vertrieb weniger Emissionen zu produzieren. Diese Variante ist allerdings teuer, zeitaufwendig und kompliziert umzusetzen. Es bedarf einer umfassenden Klimastrategie. Auch die Analyse der durch die Tätigkeit anfallenden Emissionen ist langwierig. Für jeden Prozessschritt muss die Menge an CO2 ermittelt werden.

In diesem Zusammenhang hat sich ebenfalls der Emissionshandel entwickelt. Dadurch wird es den Industriestaaten ermöglicht, mit den Rechten zum Ausstoß von klimaschädlichen Abgasen zu handeln. Das CO2, das am Ort des Unternehmens produziert wird, wird an einer anderen Stelle eingespart.

Industriegebiet produziert Treibhausgase
Industriestaaten produzieren Unmengen an Treibhausgasen. Um diese auszugleichen, wird Klimakompensation betrieben. Quelle: Unsplash Marcin Jozwiak

Das Kyoto-Protokoll und seine flexiblen Mechanismen

Um die Mechanismen der Klimakompensation zu verstehen, ist es wichtig, das Kyoto-Protokoll zu kennen. Dabei handelt es sich um ein rechtlich bindendes Abkommen zum Klimaschutz. Das Protokoll unterscheidet zwischen Industriestaaten sowie Entwicklungs- und Schwellenländern. Erstere bezeichnet man auch als Annex-B-Staaten, weil diese im Anhang B des Protokolls aufgeführt sind. Zu diesen zählen unter anderem die Mitgliedsstaaten der EU, Japan oder Australien.

Die Industriestaaten verpflichteten sich hiermit zur Emissionsminderung. In Kraft getreten ist das Kyoto-Protokoll im Jahr 2005. Ein Projekt in Industriestaaten ist zwar ebenfalls möglich, ist aber häufig mit sehr hohen Kosten verbunden. Aus diesem Grund sollen im Rahmen flexibler Mechanismen internationale Projekte unterstützt werden. Grundgedanke hinter dieser flexiblen Mechanismen ist also, dass die Minderung der Emissionen dort stattfinden soll, wo diese am kostengünstigsten umsetzbar sind. An welchem Ort die Umsetzung erfolgt, ist für die Gesamtbilanz nicht relevant.

Das aktuelle Gegenstück zum Kyoto-Protokoll ist das Pariser Klimaabkommen, das 2016 in Kraft trat. Bis morgen (12.11.2021) verhandeln die Mitglieder der UNFCCC noch in Glasgow bei der Klimakonferenz über die nächsten Schritte zum Klimaschutz.

Klimakompensation durch Umweltprojekte

Drei Mechanismen sind im Kyoto-Protokoll aufgeführt. Der Emissionshandel ist einer davon. Darüber hinaus gibt es den sogenannten Clean Development Mechanism, kurz CDM und die Joint Implementation. Ersterer entspricht dem Handel mit Zertifikaten. Jeder Staat verpflichtet sich zu einer gewissen Reduktion an Emissionen und erhält gewisse Emissionsrechte bzw. Zertifikate. Hat er dieses Ziel erreicht, kann er die restlichen Zertifikate an andere Staaten weiterverkaufen. Der Staat, der dieses Zertifikat kauft, kann die Anzahl der Emissionen zu seinen eigenen Reduktionen addieren.

Die Joint Implementation bietet die Möglichkeit, als Industriestaat ein Klimaprojekt in einem anderen Industriestaat durchzuführen, wie beispielsweise der Bau von Solar- oder Windkraftanlagen. Im Gegensatz dazu werden im Rahmen des CDM Projekte in Schwellen- und Entwicklungsländern umgesetzt.

Zahlreiche Firmen bieten Klimazertifikate zum Kauf an. Und das online. Benötigt wird hierzu die Menge an produziertem CO2, bzw. eine Angabe, welche Menge kompensiert werden soll. Bei vielen Anbietern ist auch eine Möglichkeit zur Berechnung vorhanden. Der Aufwand ist hier selbstverständlich im Gegensatz zur Umstrukturierung eines Unternehmens wesentlich geringer.

Person nutzt Laptop und halt Kreditkarte in der Hand
Teilweise können die Klimaprojekte wie in einem Onlineshop eingekauft werden. Bildquelle: Unsplash Pickawood

Die meisten im Internet verfügbaren Zertifikate unterstützen internationale Projekte, größtenteils in Afrika oder Asien. Der Fokus liegt auf Gebieten in Entwicklungsländern. Neben dem Umweltaspekt werben die Anbieter oftmals auch mit sozioökonomischen Vorteilen durch die Projekte. Beispiele hierfür sind Projekte, die den Regenwald vor der Abholzung schützen sollen oder der Bau von Energiesparöfen für afrikanische Dörfer.

Standards und Zertifizierungen

Seit Umweltschutz im Bewusstsein der Menschen angekommen ist, sprießen verschiedene Siegel wie Unkraut aus dem Boden. Sich hier im Dschungel der Standards zurechtzufinden, ist schwer. Wichtig ist, dass Zertifikate nach dem Kauf stillgelegt werden. Ansonsten können eingesparte Emissionen doppelt weiterverkauft werden. Für einzelne Standards gibt es Positiv- oder Negativlisten, in denen festgelegt wird, welche Projekttypen für den jeweiligen Standard in Frage kommen. Als weltweit strengster Standard für internationale Projekte gilt der sogenannte Gold Standard. Er soll eine nachhaltige Umsetzung sicherstellen. Es handelt sich dabei um ein Label, das von mehreren Umweltverbänden vergeben wird.

Deutsche Medienunternehmen und ihre Klimastrategie

Schauen wir uns nun mal große deutsche Medienkonzerne an. Den Titel des umsatzstärksten Medienunternehmens in Deutschland im Jahr 2020 holt sich die Bertelsmann SE & Co. KGaA mit rund 17,29 Milliarden Euro. Auf dem zweiten Platz liegt die ARD mit fast 7 Milliarden Euro Umsatz. Danach folgt die ProsiebenSat.1 Group mit ungefähr 4 Milliarden Euro.

Die Bertelsmann AG hat sich das Ziel gesetzt, im Jahr 2030 klimaneutral zu sein. Die Treibhausgase, die an den Standorten des Unternehmens, durch die Mobilität der Mitarbeiter und durch die Produktion der Produkte entstehen, sollen um die Hälfte reduziert werden. Der Rest wird ausgeglichen. Zusätzlich will Bertelsmann seine Geschäftskunden bei der Reduktion von produktbezogenen Emissionen unterstützen.

Im Nachhaltigkeitsbericht 2020 der ARD wird unter anderem von einer klimafreundlichen und ressourcenschonenden Produktion gesprochen sowie von einer Unterstützung der Entwicklung von nachhaltigen Produktionsmethoden. Das Unternehmen sieht sich selbst durch den Programmauftrag als Multiplikator in der Transformation in Richtung einer nachhaltigen Gesellschaft. Neugebaute Betriebe stattet die ARD mit Technologien für die eigene Energieerzeugung aus. Auch Klimaprojekte werden zur Klimakompensation herangezogen.

Die ProsiebenSat.1 Group gibt an, nachhaltiges Handeln als integrierten Ansatz zur Erreichung von ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielen zu sehen. Dazu zählt nicht nur das Engagement für die Umwelt, sondern auch für beispielsweise die Gesellschaft. Hierauf liegt auch das Augenmerk des Unternehmens: Obwohl die ProsiebenSat.1 Group sich verantwortlich sieht, mit natürlichen Ressourcen schonend umzugehen und den Energieverbrauch sowie CO2-Ausstoß zu verringern, wird im Geschäftsbericht davon geschrieben, dass es sich bei Umweltbelangen nicht um den Kernfokus handelt. Dennoch will ProsiebenSat.1 die Emissionen auf null reduzieren. Das geschieht auch hier unter anderem durch die Unterstützung von Klimaprojekten, also durch Klimakompensation.

Kompensieren ist nicht alles

Die Methoden zur Klimakompensation ernten immer wieder große Kritik, da sie nicht zwingend zu einer echten Reduktion der Treibhausgase führen. Mit genügend finanziellen Mitteln lassen sich die Klimaziele also in gewisser Weise erkaufen. Um die Emissionen „echt“ auszugleichen, müsste ein gepflanzter Baum beispielsweise um die 100 Jahre leben und wachsen. Holzt man den Wald, in dem dieser Baum steht, ein paar Jahre nach dem Pflanzen ab, oder es kommt zu einem Waldbrand, wird das zuvor ausgeglichene CO2 erneut freigesetzt und die Kompensation ist hinfällig. Monokulturen, die im Rahmen der Klimakompensation meist gepflanzt werden, können darüber hinaus weniger CO2 aufnehmen, als natürlich gewachsene Wälder. Zudem schreibt Greenpeace in einer Studie, dass wir gar nicht über genug Wald und Grasflächen verfügen, um alle Emissionen auszugleichen. Unternehmen berechnen außerdem die Menge des CO2s zu gering, heißt es.

Es wird deutlich: Als Unternehmen ein einzelnes Projekt zu unterstützen und somit Klimakompensation zu betreiben ist nicht genug. Diese Rechnung geht sonst nur für die Unternehmen, nicht aber für die Umwelt auf. Denn ein Flug hat trotzdem stattgefunden und Abgase produziert, auch wenn du ein paar Euro mehr für den Ausgleich zahlst. Klimakompensation wird von allen der drei großen Medienunternehmen betrieben. Ein grundsätzlich positives Zeichen, zu bedenken bleibt aber: Für einen längerfristigen und nachhaltigen Impact müssen wir dort ansetzen, wo Emissionen entstehen.

Einen spannenden Artikel über die Initiative Waldrekord-Woche von Sat.1 kannst du hier lesen.

Quellen: Öko Institut, Deutsche Umwelthilfe, Climateaustria.at, goldstandard.org, Umweltbundesamt.de, Bundeszentrale für politische Bildung.de, Bertelsmann.de, Statista.de, prosiebensat1.com, daserste.de, derStandard.at, Greenpeace Studie
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