Privacy Paradox – zwischen Privatsphäre und Bequemlichkeit

Wenn man danach fragt, ist Privatsphäre den meisten Deutschen wichtig, dennoch nutzt die Mehrheit WhatsApp, Facebook oder Google – was dahinter steckt ist das sogenannte Privacy Paradox.

Laut einer Studie aus dem Jahr 2019 sind 68% der Deutschen über den Schutz ihrer Daten im Internet besorgt. In einer anderen Befragung aus dem gleichen Jahr gaben 87% der Befragten an, die Messenger App WhatsApp mindestens einmal in der Woche zu nutzen. Es scheint also eine Schnittmenge zu geben, die zwar besorgt um den Schutz ihrer Daten ist, aber trotzdem den Messenger-Dienst von Facebook Inc. nutzt, einem Konzern, der seine Umsätze vor allem mit Hilfe der Daten seiner Nutzer generiert.

Die Privacy-Calculus-Theorie

Auf den ersten Blick passen persönliche Einstellung und Verhalten hier nicht zusammen, weshalb das Privacy Paradox genannte Phänomen Gegenstand aktueller Sozialforschung geworden ist. Ein Erklärungsansatz ist die Privacy-Calculus-Theorie, sie geht von einer Kosten-Nutzen Abwägung aus, die Nutzer unbewusst durchführen. Der sofortige Nutzen übersteigt bei dieser Überlegung oft die angenommenen (zukünftigen) Kosten, die Nutzung der Apps ist beispielsweise unentgeltlich möglich und die Einbußen was Datenschutz oder Privatsphäre angeht, werden als weniger stark empfunden.

Privacy Paradox
200 Degrees / Pixabay

Hinzu kommt, dass der sogenannte Netzwerkeffekt den scheinbaren Wert von Social Media Apps für potenzielle Benutzer steigert: je mehr Menschen ein soziales Netzwerk, einen Messenger oder ähnliches nutzen, desto attraktiver wird es für den Einzelnen.

Überforderung der Nutzer

Ein weiterer Erklärungsansatz ist, dass viele Menschen das Thema Datenschutz inzwischen überfordert. Datenschutzerklärungen, AGBs und Cookie-Richtlinien akzeptieren Nutzer oft ungelesen. Ein Grund dafür dürfte die Länge der Erklärungen sein. Würde man die Datenschutzerklärung des Messenger-Dienstes WhatsApp ausdrucken, käme man auf 12 DIN-A4 Seiten (Stand 06.12.2020). Außerdem wird dort zwar beschrieben, wie Daten erhoben und verarbeitet werden, aber Folgen und Risiken sind für die meisten Nutzer trotzdem schwer einzuschätzen. Zum Beispiel befindet sich folgender Satz in der Datenschutzerklärung:

Informationen, die von WhatsApp Ireland kontrolliert werden, werden für die in dieser Datenschutzrichtlinie beschriebenen Zwecke in die USA oder andere Drittländer übertragen oder übermittelt bzw. dort gespeichert und verarbeitet.

WhatsApp, https://www.whatsapp.com/legal/privacy-policy-eea

Es kann wohl kaum jeder Nutzer einschätzen, welche Auswirkungen die Datenverarbeitung in den USA auf den Schutz seiner Daten hat. Selbst wenn also die Mehrheit der Nutzer die Datenschutzerklärungen der von ihnen genutzten Dienste lesen würde, könnten sie höchstens vage Aussagen über die Sicherheit ihrer eigenen Daten treffen.

Ob aus Überforderung oder unbewusster Abwägung, das Privacy Paradox zeigt eine Schere zwischen innerer Einstellung und dem Handeln der Bürger. Langfristig wird die Gesellschaft sich diesem Paradoxon stellen müssen.

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Quellen: Ipsos, Statista (idealo), IW Köln, WhatsApp
Bildquellen: Pixabay, Jan Alexander, 200 Degrees

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Simon Crins

Simon ist ausgebildeter Mediengestalter und absolvierte bereits sein Bachelorstudium an der Mobile University. Währenddessen war er für die ProSiebenSat.1 Gruppe unter anderem als Projektleiter tätig. Seit Ende 2018 arbeitet Simon im Raum Wolfsburg als Test- und Entwicklungsingenieur und hat im September 2020 sein Masterstudium in Medien- und Kommunikationsmanagement an der Mobile University begonnen.