In der heutigen Konsumgesellschaft mit ihrem Wettbewerbsdruck auf Unternehmen ist es mittlerweile unabdingbar für TV-Sender, eigene Medienmarken zu entwickeln. Faktoren, die zu einer Kaufentscheidung beziehungsweise der Wahl eines bestimmten Fernsehkanals oder einer Sendung beim Rezipienten eine entscheidende Rolle spielen, sind laut der Kommunikationswissenschaflerin Dr. Kati Förster etwa die Komplexitäts- sowie Risikoreduktion zur kognitiven Entlastung als auch die Prestigewerte einer Marke und die Selbstidentifikation des Rezipienten mit ebenjener. Für Sendeunternehmen steht dieses Ziel unmittelbar in Verbindung mit der eigenen Wettbewerbsfähigkeit. Walter McDowell bezeichnet den Wettbewerb in „Branding Tv: Principles and Practices“ als Hauptgrund der Entstehung von Marken: „The primary motivation for applying brand management to a consumer product or service is competition.“. Die öffentlich-rechtlichen ARD und ZDF verzeichnen vereint einen jährlichen Marktanteil von etwa 25% und konkurrieren dabei vor allem mit der Mediengruppe RTL Deutschland und der Pro7Sat1 Media AG um die Einschaltquoten. Aufgrund des hohen Wettbewerbsdrucks auf dem deutschen Fernsehmarkt, sind die Sendeanstalten gezwungen, Marken zu bilden, um sich im kompetitiven Umfeld zu positionieren.
Wie eine TV-Marke analysiert wird
Um eine TV-Marke näher zu analysieren gilt es vorerst, sie in ihrer Architektur zu unterscheiden. Dabei ist der Sender an sich die sogenannte Dachmarke, welche wiederum Submarken beziehungsweise Genremarken (verschiedene Sendungsformate wie etwa Kochshows), Formatmarken (Breaking Bad, Produktion für den Sender AMC) und Personenmarken (Stefan Raab für Pro7) einschließt. Diese Strukturen beschreibt Per-Erik Wolff in seinem Buch „TV Markenmanagement“. Weitere Markenelemente, die zur Analyse der Markenführung eines TV-Senders untersucht werden müssen seien zudem Markenidentität, Markenpositionierung, Markenversprechen als auch die Markenstrategie (z.B. Dach- oder Einzelmarkenstragie). Laut Förster wiederum nutzen die Sender dabei zwei wesentliche Instrumente: die Programmpolitik und die Kommunikationspolitik. An dieser Stelle sollte auch „Der Markenidentitätsansatz“, ein Modell der Wirtschaftswissenschaftler Meffert und Burmann genannt werden, welches Aussagekonzept und Akzeptanzkonzept einer Marke verdeutlicht.
Während der Programmpolitik bereits von verschiedenen Autoren in Hinblick auf Glaubwürdigkeit, Kompetenz und Profilierung eine hohe Bedeutung konstatiert wurde, so fehlt es laut Kommunikationswissenschaflerin Förster jedoch an „systematischen Analysen, die kommunikations- und wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse gleichermaßen berücksichtigen.“. Immer wichtiger für die Markenkommunikation werden Social-Media-Auftritte der TV-Marken – hier liegen die Öffentlich-Rechtlichen im Kampf mit den Privatsendern weit hinten, wie eine Statistik nach Angaben von Goldmedia und Social-TV-Monitor bereits 2016 verdeutlicht. So führten die Sendungen „Berlin Tag und Nacht“ (RTL II) mit 227.326 Nutzeraktivitäten, gefolgt von „Circus HalliGalli“ (Pro7) mit 214.992 Nutzeraktivitäten auf den jeweiligen Facebookauftritten der Sendungen im Januar 2014 die Statistik an. Die „Tagesschau“ (ARD) hingegen lag mit nur 35.143 Aktivitäten auf dem vorletzten Platz.
Raab, Heufer-Umlauf & Winterscheidt – Marke in Person
Mit dem Rücktritt von Stefan Raab aus dem Programm des Fernsehsenders Pro7 verlor dieser auch seine Personenmarke, auf die weitere Sendungsformate des Senders aufbauten. Doch der Sender hat bereits in den letzten Jahren viel Geld und Sendezeit in die womöglich neuen Personenmarken, das Moderatoren-Duo „Joko & Klaas“ investiert. In einem Artikel auf der Webseite des Onlinemagazins quotenmeter.com mutmaßt der Autor Sidney Schering: „Vor allem spricht aber eins dafür […] Joko & Klaas ähnlich freies Geleit zu geben wie Stefan Raab: Der Irrsinn der Beiden kommt auch bei den Gremien gut an und wird wiederholt für prestigeprächtige Awards wie den Grimme-Preis und die Goldene Rose nominiert. Blödeleien, die Quote und Anerkennung holen: Das machte Raab aus. Das Spiel treiben seit einigen Jahren Joko und Klaas. Wieso also stellt sich überhaupt die Frage, ob sie Raabs Platz übernehmen können?“.
Schaffen und verwerfen – neue Sendeformate
Raabs Show „TVtotal“ bot dem Sender Jahre lang eine Formatentwicklungs-Plattform. Es wurden Formate wie zum Beispiel „WOK WM“, „Unser Star für Oslo“ oder „Schlag den Raab“ erfolgreich entwickelt. Am 25. Februar 2013 strahlte Pro7 die erste Folge der Sendung „Circus HalliGalli“ mit den Moderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf auf. Die Produktionsfirma der Sendung, Florida TV GmbH, ein Tochterunternehmen der Endemol Shine Group Germany, konnte 2011 mit dem Moderatoren-Duo auf dem öffentlich-rechtlichem Sender ZDFneo mit ihrer Sendung „NEOPARADISE“ bereits überzeugen und so wurde das gesamte Team 2013 von Pro7 übernommen. Seitdem etablierten sich ganz nach dem Vorbild von „TVtotal“ immer neue Formate aus der heute abgesetzten Late-Night-Show. Unter anderem gehören dazu: „Joko und Klaas – Das Duell um die Welt“ und „Mein bester Feind“, aber auch showinterne wiederkehrende Formate wie etwa „Das unnötig komplizierte Interview“ oder „Das Duell um die Geld“. Letztere Show bekam aufgrund des hohen Zuspruchs und Interesses sogar einen eigenen Programmplatz als eigene Sendung. Zudem bekamen weitere Mitglieder des „HalliGalli“-Ensembles von Pro7 Sendeplätze (z.B. „Schulz in the box“ mit Olli Schulz). Das Absetzen von „Circus Halligalli“ war wohl die Reaktion ProSiebens auf die sinkenden Einschaltquoten, die die Sendung mit der Zeit brachte.
Yet another Late-Night-Show
Sicherlich lag die Absetzung von „Circus Halligalli“ nicht zuletzt auch daran, dass die Sendung nahezu alle erdenklichen showinternen Formate hervorgebracht und der Raum für neue Sendeinhalte aufgrund des Showkonzepts begrenzt war. Nichtsdestotrotz behielt der Sender das Moderatorenduo für weitere Sendungen bei sich und so konnten neue Formate fernab der Late-Night-Show entwickelt werden, die andere Unterhaltungskonzepte verfolgen. Anfang des Jahres zum Beispiel startete mit „Das Ding des Jahres“ eine neue Abendshow mit Moderator Joko Winterscheidt. Auch Moderator Heufer-Umlauf startete dieses Jahr im März mit einer eigenen Late-Night-Show „Late Night Berlin“ auf Pro7. Der YouTube-Kanal der Sendung weist derzeit etwa 36.000 Abonnenten auf und es konnten erste virale Erfolge verzeichnet werden.
Der Imagewechsel – ein schleichender Prozess einer Marke
Das Verhaltens des Senders in Hinblick auf die vielen hervorgebrachten Formate mit Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf lässt den Schluss ziehen, dass der Imagewechsel beziehungsweise der Wechsel der Hauptpersonenmarke bereits über einen längeren Zeitraum geplant war. Auch wenn schon 2015 ein Quotenaufstieg für „Circus HalliGalli“ ausblieb, wie Daten der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) zeigen, die durch die Firma media control GmbH erhoben wurden, verfolgte der Privatsender eine konsequente Strategie des Neuaufbaus seiner Personenmarke(n).
Fazit: Zukunftsaussichten für die Personenmarken auf Pro7
Es scheint unabdingbar, neue „Gesichter“ stetig weiter zu etablieren und zur Marke zu machen. Und auch für das Testen neuer TV-Formate scheint hier noch lange kein Ende in Sicht zu sein. Warten wir also ab und schauen, welche Inhalte der beiden Publikumslieblinge uns ProSieben auch noch in Zukunft präsentieren wird. Längerfristig wird sich über alle getesteten Shows höchstwahrscheinlich ein relativ genaues Profil der Zielgruppe erstellen lassen, was wiederum vielversprechende Erfolgsrezepte für Unterhaltungssendungen in Aussicht stellt.
Quellen
Förster, K. (Hrsg.) (2011): Strategien erfolgreicher TV-Marken. Wiesbaden.
Mcdowell, W.; Batten, A. (2005): Branding Tv: Principles and Practices. 2. Auflage. Amsterdam.
Wolff, P.E. (2006): TV Markenmanagement. München.
Meffert, H.; Burmann, C. (2002): Markenmanagement – Grundfragen der identitätsorientierten Markenführung. Wiesbaden.
Statista GmbH / Social-TV-Monitor (2014): Top 10 TV-Serien auf Facebook nach Anzahl der Aktivitäten im Januar 2014. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/233373 [Stand: 08.05.2018]
Schering, Sidney (2016): Können Joko und Klaas die Raab-Lücke schließen?.
qmde.de/82996 [Stand: 08.05.2018]
o.V. (2016): Shows | Florida TV. http://www.floridatv-entertainment.de/shows/ [Stand: 08.05.2018]
Nunez Sanchez, Manuel (2016): Quotencheck: «Circus HalliGalli».
qmde.de/82773 [Stand 08.05.2018]