Mit Partizipation zu mehr Nachhaltigkeit?

Ziele für mehr Nachhaltigkeit beziehen sich oft nur auf Organisationen und Regierungen. Warum es wichtig ist, auch Individuen in Nachhaltigkeitsüberlegungen mit einzubeziehen, darüber sprechen wir mit Prof. Dr. Alfred-Joachim Hermanni.

Nachhaltigkeit ist heutzutage ein allgegenwärtiges Thema. Viele Unternehmen übernehmen inzwischen Verantwortung für die Umwelt. Doch wie wir als Individuen in der Nachhaltigkeitskommunikation häufig vergessen werden, schildert uns Prof. Dr. Alfred-Joachim Hermanni im Interview – ein Appell an die Wirksamkeit jedes Einzelnen.

Prof. Dr. Hermanni, was ist Nachhaltigkeit und was genau bedeutet „persönliche Nachhaltigkeit“ für uns und die Gesellschaft?

Die Organisation der Vereinten Nationen (UNO) unterscheidet zwischen drei Säulen der Nachhaltigkeit:

  • ökologische Ziele, ein weitsichtiger, schonender und verantwortungsvoller Umgang mit den endlichen Ressourcen der Erde;
  • ökonomische Ziele, eine Maximierung des wirtschaftlichen Ertrags bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der benötigten Eingangsressourcen und
  • soziale Ziele, eine bewusste Organisation von sozialen und kulturellen Systemen im Sinne eines gemeinwohlorientierten, gerechten Handelns

Ich vertrete die Ansicht, dass es ohne eine vierte Dimension „persönliche Nachhaltigkeit“ nicht möglich ist, die Mutter Erde zu retten. Solange der Einzelne nicht persönlich angesprochen wird und an der Umsetzung nachhaltiger Maßnahmen entsprechend seinen Vorstellungen mitwirken kann, kann der Wettlauf gegen die Zeit nicht aufgehen. Das Schlüsselwort für Nachhaltigkeit lautet: Partizipation.

Warum ist die persönliche Nachhaltigkeit so wichtig und wie kann sie uns dabei helfen, gesetzte Nachhaltigkeitsziele zu erreichen?

Bei Nachhaltigkeitsfragen bezieht die UN oft nicht den einzelnen Menschen ein. Dabei ist es wichtig die Bedürfnisse aller sozialen Bevölkerungsschichten zu berücksichtigen, um ein breiteres Interesse für die UN-Nachhaltigkeitsziele bei der Mehrheitsgesellschaft zu wecken. Denn warum sollte sich ein Mensch für die Belange fremder Personen oder der Allgemeinheit einsetzen, ohne dabei auch eigene Vorteile im Sinne einer Selbstfürsorge im Hinterkopf zu haben? Erscheint es da nicht klüger, über die Eindämmung des Klimawandels auch jeden Einzelnen mitentscheiden zu lassen, anstatt von außen bedrängend einzuwirken?

Gemeinsam können persönliche Nachhaltigkeitsziele erreichen!
Quelle: Pixabay

Wie schafft man es, Einzelpersonen zu nachhaltigem Verhalten zu motivieren?

Persönliche Nachhaltigkeit muss vom Ende her betrachtet werden. Also: Was könnte ich individuell und gesellschaftlich beitragen oder gar zum Positiven verändern und inwiefern würde ich dabei Erwartungen anderer Personen erfüllen?
Das nachhaltige Handeln soll nicht nur aus Pflichtbewusstsein erfolgen, sondern aus eigenem Antrieb. Individuen wollen in Abstimmung mit dem privaten Bereich ein sinnstiftendes Engagement leisten. Zentral für das Engagement jedes Einzelnen ist die soziale Verantwortung mit einem direkten Bezug zum Werte- und Glaubenssystem der Person. Im Jahr 2022 wird das sozial-humanitäre Engagement am Beispiel des Ukraine-Krieges sichtbar, nachdem Millionen von geflüchteten Menschen im Ausland humanitäre Betreuung, Unterbringung, Kleidung und Verpflegung finden.

In den Medien wird Nachhaltigkeit oft als ein Thema dargestellt, das besonders die junge Generation umtreibt. Inwiefern unterscheiden sich die Nachhaltigkeitsansprüche unterschiedlicher Generationen voneinander?

Wenn man die Lebensentwürfe insbesondere der jüngeren Generationen ernst nimmt, wird persönliche Nachhaltigkeit zu einem Leitthema. „Persönlich“, das meint: für jemandes Person kennzeichnend, in eigener Sache präsent sein, individuelle Interessen vertretend.

Wir nehmen junge Menschen wahr, die frei von traditionellen Vorstellungen und Zwängen ihr Dasein gestalten und sich sinnvollen Aufgaben und gemeinschaftlichen Anliegen widmen wollen. Und die sich nicht ihre Freiheit beschränken und fremd bestimmen lassen, was ihre Berufung sein soll. Stattdessen führen sie intensive Auseinandersetzungen und fällen selbstständige Entscheidungen über das Jetzt und Morgen. Auffällig ist, dass sich die jungen Generationen bei dem Diskurs für nachhaltige Entwicklung nicht gehört und beteiligt sowie von der Politik im Stich gelassen fühlen. Hier bewahrheitet sich mein Votum, dass die persönlichen Nachhaltigkeitserwartungen der Generationen Y und Z stärkere Berücksichtigung finden müssen.

Was können wir alle im Sinne der persönlichen Nachhaltigkeit tun, um unseren Nachhaltigkeitszielen etwas näher zu kommen? 

Die Freiheit, selbstständige Entscheidungen treffen zu können, verkörpert in einer Demokratie ein hohes Gut. Rational betrachtet dürfte es nahezu ausgeschlossen sein, individuelle Bedürfnisse von außen entscheidend zu lenken, zumal die eigene Person und somit die dem Einzelnen gehörende Existenz davon betroffen ist. Als Individuum bin ich Wächter und Lenker meines eigenen Schicksals und trage auf freiwilliger Basis zur Lösung globaler Probleme bei.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich umweltgerechtes Verhalten aus der Aktivierung persönlicher Normen herausbildet, bspw. durch Wahrnehmung eines Handlungsbedarfs, Verantwortungsbewusstsein für das Problem, Identifikation von Aktionen, die zur Problemlösung beitragen, oder durch eigenen Antrieb, die umweltgerechte Handlung auch letztlich ausführen zu können. Auf diese Weise entstehen persönliche Nachhaltigkeitsziele, die zur Rettung der Welt beitragen.

Ein Interview von Anna Engelniederhammer, Marketing der SRH Fernhochschule – The Mobile University mit Prof. Dr. Alfred-Joachim Hermanni, Studiengangsleiter für Medien- und Kommunikationsmanagement

Quelle: https://www.mobile-university.de/blog/mit-partizipation-zu-mehr-nachhaltigkeit/