Miss Germany 2020 ist Mutter & 35 Jahre alt – alles Propaganda?

Am 15. Februar wurde die neue Miss Germany des Jahres 2020 gekürt. Leonie von Hase ist 35 Jahre alt, Mutter eines Kindes, lebt in Kiel und kommt gebürtig aus Namibia. Zugegeben, intuitiv klingt das erst einmal nicht unbedingt nach einer typischen Teilnehmerin des wohl größten deutschen Schönheitswettbewerbs. Oder zumindest nicht so, wie man es erwarten würde. Und in der Tat hatte die Miss Germany Corporation, die bereits im Jahr 1927 das erste Mal den Titel der Miss Germany vergab, im letzten Jahr einige Änderungen für die nächste Misswahl angekündigt. So wurde beim diesjährigen Wettbewerb auf das Posieren in Bademoden und auch auf die traditionellen Städtewahlen verzichtet. Unter dem Motto „Empowering Authentic Women“ sollten nun die Persönlichkeiten der Kandidatinnen im Vordergrund stehen.

Social Media-Kandidatur statt Städtewahl

„Ab 2019 präsentiert sich der bekannte Wettbewerb offener, interaktiver und multimedialer als je zuvor: […]Frauen, die wie du ihren eigenen Weg gehen, sich intelligent durchsetzen und die Gesellschaft beeindrucken. Mit einem neuen Medienpartner, der euch auf analogen und digitalen Kanälen weiter nach vorne bringt.“ Mit ihrem neuen Konzept setzt die Corporation im Bewerberverfahren auf die sozialen Netzwerke. Es scheint, als würden sie die ideale Influencerin suchen. Mit einem Blick auf von Hase denkt man allerdings an alles andere, als eine neue Farina Opoku. Allerdings ist von Hase nicht ganz unbekannt. Auf Instagram hatte sie – durch ihren Beruf bedingt – bereits vor ihrem Sieg eine starke Community, bei der sie während des Wettbewerbs auch immer wieder dazu aufrief, für sie abzustimmen. Auch bekannte Persönlichkeiten aus der deutschen Modeszene, wie z.B. Cloudy Zackrocki von Refinery29, unterstützen sie.

Wer ist Leonie von Hase?

Für ihren Online-Vintagestore posiert Miss Germany 2020 Leonie von Hase auch gern mal in ihrem heimischen Garten zwischen Gießkannen und Spielzeug Treckern.

Leonie Charlotte von Hase ist Deutsch-Afrikanerin und wuchs in vierter Generation auf einer Farm in Namibia auf. Auf Instagram bezeichnet sie sich selbst als „Creative chameleon“. Ein ziemlich passender Begriff, denn es zog sie auf ihrer Reise nicht nur in Städte wie London, Mailand, Kapstadt oder Berlin, sondern auch beruflich hat sie bereits einen langen Werdegang hinter sich. Schließlich arbeitete sie als Model, Schauspielerin, Ghost Writer, Kreativdirektorin, Stylistin und Foodbloggerin – um mal ein paar Beispiele zu nennen. Inzwischen lebt sie in Kiel und betreibt ihren eigenen Online-Vintagestore „The Leonie Store“. Dort launcht sie regelmäßig saisonale Kollektionen voller Vintagekleidung, Deko und Second Hand-Schätzen. Mit ihrem Online-Shop steht sie für Nachhaltigkeit und Individualität. Dabei möchte sie in puncto Service den großen Versandhändlern in nichts nachstehen.

Die neue Miss Germany-Philosophie kommt nicht überall gut an

Bei ihrem Interview mit n-tv berichtet von Hase, dass es für sie gar nicht mehr um Schönheit ginge, „sondern um Authentizität und Charakter“. Viele Medien schrieben in ihrer Überschrift aber alt bewährt von der amtierenden Miss Germany als die schönste Frau Deutschlands. Eine große Anzahl der Kommentare von Social Media-Usern fielen daraufhin äußerst negativ aus. So heißt es unter anderem „Ich finde das Alter ja okay. Aber bitte dann auch hübsch.“ oder „Ich glaube sie ist wirklich 35 (GEWESEN, vor langer langer Zeit…)“. Einige Kommentare beziehen sich allerdings nicht nur auf die für jeden subjektive Optik. Die User sprechen außerdem von einem Propaganda-Sieg und ebenfalls davon, dass dieser nur auf politischer Korrektheit beruhen würde.

Ob Leonie von Hase nun gewonnen hat, weil sie genau in das neu erfundene Konzept passte, oder weil sie tatsächlich als Person überzeugte, ist ungewiss. Für mich stellt sie aber defintiv ein aktuell gesellschaftlich sehr relevantes Vorbild dar. Denn sie repräsentiert kein Extrem, sondern eine normale, authentische, kluge Frau, die sich ungeschminkt zeigen kann, Nachhaltigkeit predigt und sich mit einer guten Portion Humor auch mal selbst dabei erwischt, wie sehr sie in das als spießig verpöhnte Vorstadtleben hineingewachsen ist.

Aber vor allem zeigt sie als selbstständige Unternehmerin, dass Karriere und Kind eben doch miteinander zu vereinbaren sind. Sie ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein modernes Familienleben aussehen kann und ich bin sicher, dass sich viele Frauen mit ihrem Kerngedanken identifizieren können: „Als mit-älteste Finalistin der Miss Germany 2020 ist es mir wichtig ein Vorbild zu setzen dafür, dass man im Leben nicht nur Erfolg erzielt, wenn man in jungen Jahren schon zur Berufung findet. Bedauerlicherweise scheint im ‘Influencer’ Zeitalter fast ausschliesslich diese Frau im Vordergrund zu stehen.“

Daher kann ich in diesem Fall nur sagen: Propaganda? Ja bitte!

Quellen: https://www.lvz.de/Nachrichten/Panorama/Keine-Staedtewahlen-mehr-keine-Bademode-Das-ist-neu-bei-Miss-Germany; https://missgermany.de; https://www.instagram.com/theleoniestore/;
https://www.n-tv.de/mediathek/videos/unterhaltung/Schoenheitswettbewerbe-sind-nicht-mehr-zeitgemaess-article21581290.html

Bildquellen: Bild von Pexels auf Pixabay; Screenshot Instagram The Leonie Store

Mehr zum Thema Body Positivity & Diversity: Chefredakteurin der deutschen Elle Sabine Nedelchev begeht einen riesigen Fauxpas. Jetzt hier nachlesen!

Avatar-Foto

Celina Moenkediek

Celina arbeitet neben ihrem Muk-Studium als Content Managerin in einem mittelständischen Modeunternehmen. Damit konnte sie ihre Leidenschaft, das Schreiben, zum Beruf machen. Des Weiteren ist sie Social-Media-Expertin und befasst sich sowohl beruflich als auch privat mit den neuesten Modetrends. Sie schreibt daher über die Modebranche sowie über gesellschaftliche Themen und Digitalisierung. Ihre Freizeit verbringt sie gern in der Natur mit Hund und Pferd oder entspannt sich beim Yoga.