Mit Bewegungen wie Fridays for Future und Pinterest-Accounts voller Zero Waste-Inspirationen kommen herkömmliche Unternehmen in Zugzwang. Bei einigen von ihnen hat bereits ein Umdenken stattgefunden. Sie bieten vegane, ressourcenschonende oder fair hergestellte Alternativen an. Um die passende Zielgruppe für diese Produkte zu erreichen, kann eine Kooperation mit einem Greenfluencer ein sinnvolles Marketing-Instrument sein. Häufig sind Blogger und Influencer Testimonial, Model, Texter und Fotografen in einem. Als unabhängige Meinungsmacher liefern sie Content mit hohem Authentizitätsgehalt. Damit die Zusammenarbeit für beide Seiten fair abläuft, gilt es allerdings, einiges zu beachten und vorher gut zu recherchieren.
Was macht einen sogenannten „Greenfluencer“ aus?
Greenfluencer und Ecofluencer, sowie auch Sustainable- oder Ethical Blogger – es gibt viele Anglizismen, mit denen man Meinungsmacher oder auch Influencer, die sich mit den großen kontemporären Themen Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein beschäftigen, bezeichnen kann. Bina Nöhr ist eine von ihnen. Seit 2013 schreibt sie auf ihrem Blog stryletz.com. Auch auf Instagram setzt sie sich seit langem für Tierschutz ein, zeigt Fair Fashion-Outfits und berichtet über ihr Familienleben als Veganerin.
Das folgende Interview soll als Guide dienen, wie Unternehmen die richtigen Partner für eine Kooperation finden können, wie die Kommunikation ablaufen sollte und was berücksichtigt werden muss, um eine Kooperation erfolgreich abzuwickeln.
Celina Mönkediek: Hallo Bina, erzähl doch gern erst einmal ein bisschen etwas von dir, deinem Blog und seiner Entstehungsgeschichte.
Bina Nöhr: Ich bin Bina, lebe in Hamburg und bin Mutter von zwei Kindern. 2013 gründete ich meinen Blog, der ursprünglich ein Online-Magazin werden sollte. Damals habe ich allerdings gemerkt, dass der Trend in eine andere Richtung geht und die Leute auch die Gesichter hinter den Artikeln sehen wollen. Und dann habe ich mir gedacht, mach ich das einfach auch so! Somit ist aus einem Magazin mein persönlicher Blog geworden.
Celina Mönkediek: Standen auch in deinen Anfängen schon die Themen im Fokus, die du heute behandelst?
Bina Nöhr: Anfangs war mein Blog eher ein herkömmliches Lifestyle-Blogazine. Ca. 2014/2015 fing es dann an, dass ich mich mehr mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinander gesetzt habe. Begonnen hat alles mit meiner veganen Ernährung, danach folgte mein wachsendes Interesse für Fair Fashion. Von da an habe ich mein Blogazine umgestellt und über nachhaltigeres Leben, veganes Essen und faire Mode berichtet.
Celina Mönkediek: Was war für dich der Auslöser, bei Instagram deinen langjährigen Namen „StryleTZ“, zu deinem echten Namen, Bina Nöhr, zu ändern?
Bina Nöhr: Die Geschichte ist eigentlich ganz lustig! Der Name ist ein ein Mix aus Street Style und Tageszeitung. Damals wollte ich auf dem ursprünglichen Magazin Street Styles zeigen und eine lokale Tageszeitung machen. Den Namen konnte aber ehrlich gesagt niemand wirklich aussprechen und ich wurde oft gefragt, was er überhaupt bedeuten soll. Ich fand es eigentlich immer ganz witzig und schön, die Geschichte dahinter zu erzählen. Mein Mann hatte allerdings schon ein paar Jahre auf mich eingeredet und gesagt, es wäre blöd für mich, etwas so zu nennen, dass es niemand richtig aussprechen und womöglich auch nicht buchstabieren kann. Somit bin ich dann ja auch schwerer zu finden. Meine eigene Mutter hat immer „Strieletz“ gesagt und da wusste ich, dass es hoffnungslos ist. Daher habe ich mich dazu entschieden, meinen Account bei Instagram umzubenennen und meinen persönlichen Namen zu verwenden, da die Leute mich schließlich auch unter diesem Namen kennen. Aber der Blog trägt nach wie vor den Namen StryleTZ.
Celina Mönkediek: Fairtrade, vegan, klimaneutral, recycelt, nachhaltig – für ein Unternahmen gibt es viele Ansätze, um sowohl im Sinne von Mensch und Tier, als auch der Umwelt zu agieren. Muss ein Unternehmen, mit dem du eine Kooperation eingehst, all diese Punkte perfektionieren? Oder gibt es für dich Dinge, die eine besonders hohe Priorität haben?
Bina Nöhr: Bei Kooperationen achte ich am meisten darauf, dass die Produkte vegan sind. Die einzige Ausnahme bei mir ist, dass ich teilweise noch Wollkleidung trage. Je mehr Punkte ein Unternehmen umsetzt, desto lieber kooperiere ich natürlich. Wenn also bereits bestimmte Themenbereiche umgesetzt werden und mir ein Unternehmen gefällt – es aber z.B. neben veganen Produkten auch noch Lederprodukte vertreibt, jedoch grundsätzlich nachhaltig ist – würde ich kooperieren und dann nur die veganen Produkte bewerben. Es gibt auch Situationen, in denen ich einfach aus dem Bauch heraus entscheide. Ich schaue immer, welche Aspekte das Unternehmen kommuniziert und überlege dann, ob ich mich damit anfreunden kann. Dabei muss ich auch immer wieder Anfragen von großen Unternehmen absagen, weil ich mich mit ihnen einfach absolut nicht identifizieren kann.
Celina Mönkediek: Würdest du also auch mit einem Unternehmen, wie z.B. der Rügenwalder Mühle zusammenarbeiten? Neben den vegetarischen und veganen Produkten werden dort ja auch noch klassische Fleischprodukte angeboten.
Bina Nöhr: Speziell bei der Rügenwalder Mühle habe ich tatsächlich immer gesagt, dass ich das Unternehmen gar nicht mag. Allerdings hat der Geschäftsführer Godo Röben in Interviews schon viele gute Sachen gesagt. Das Unternehmen sagt inzwischen auch, dass sie komplett auf vegane Produkte umsteigen würden, wenn es der Verbraucher denn möchte. Derzeit würde ich mit ihnen allerdings wohl eher nicht arbeiten wollen. Ich würde mit großen Konzernen generell immer nur unter dem Aspekt zusammenarbeiten, dass ich selber kritisch berichten dürfte. Grundsätzlich gilt es, sich gerade bei großen Unternehmen zu fragen, ob sie wirklich in eine nachhaltige Richtung gehen möchten, oder doch eher Greenwashing betreiben. Allerdings weiß ich auch, dass das oft ein schmaler Grad ist und es manchmal schwer fällt, sich richtig zu entscheiden.
Celina Mönkediek: Worauf achtest du, bevor du eine Kooperation mit einem Unternehmen eingehst, damit du dir sicher bist, dass du dich mit den Werten und der Philosophie identifizieren kannst?
Bina Nöhr: Sobald ich eine Anfrage für eine Kooperation erhalte, lese ich mir natürlich erstmal die Website durch und schaue, ob nachhaltige Aspekte zu finden sind. Wenn nicht eindeutig kommuniziert wird, ob das Unternehmen nachhaltig agiert, frage ich bei dem jeweiligen Ansprechpartner noch einmal nach. Denn inzwischen habe ich das Gefühl, dass fast jedes Unternehmen etwas in dem Bereich macht und es kommen viele Anfragen rein, die für mich nicht ganz ersichtlich sind. Oftmals werden die Dinge auch etwas schöner dargestellt, als sie es eigentlich sind. Da entscheide ich dann einfach wieder aus dem Bauch heraus.
Celina Mönkediek: Hast du im Gegenzug auch einen Tipp, wie Firmen die für sich passenden Blogger oder Influencer finden können?
Bina Nöhr: Momentan fällt es mir auf, dass viele Blogger – die man zuvor eigentlich nie wahrgenommen hat, weil sie immer kommerziell gebloggt haben – jetzt auch nachhaltige Bereiche thematisieren oder plötzlich ganz umstellen. Die Nische war anfangs ja sehr klein und gefühlt kannten sich untereinander alle. Aber gerade explodiert es nahezu. Ich finde es selbstverständlich völlig legitim, wenn kommerzielle Blogger erstmal anfangen, sich mit kleinen Teilaspekten in das Thema einzuarbeiten und damit eine Zielgruppe erreichen, die mit diesen Themen sonst vielleicht gar keine Berührungspunkte gehabt hätte. Denn das wollen wir ja! Wir wollen nicht in dieser kleinen Bubble bleiben. Der Wunsch ist, dass die ganze Welt nachhaltiger lebt.
Wirklich nachhaltige Unternehmen möchten sich aber sicherlich richtig platzieren und Partner finden, die das Konzept möglichst ganzheitlich leben. Um passende Greenfluencer zu finden, würde ich als Unternehmen recherchieren, wer schon länger Teil dieser Nische ist und mich an dem jeweiligen Umfeld orientieren. Dort kann man dann schnell sehen, ob ein tatsächlicher Austausch stattfindet und so vielleicht auch kleinere, aber trotzdem authentische Accounts finden.
Celina Mönkediek: Welche Greenfluencer inspirieren dich persönlich am meisten?
Bina Nöhr: Oh da gibt es Einige! Mit vielen habe ich auch persönlich zutun, z.B. mit Charlotte Weise bin ich auch privat befreundet. Ansonsten mag ich die Posts von Mia (heylilahey) sehr gern, da sie wirklich gut recherchiert. Ich finde mehralsgruenzeug schreibt tolle Texte und Wiebke von sloris_ macht auch eine sehr gute Arbeit, obwohl sie noch keine riesengroße Reichweite hat. Die fashionchangers sind super Aktivisten und auch die politischen Beitrage von talisaminoush mag ich sehr gern. Es gibt wirklich viele, über dich ich mich einfach freue und eine Gruppe alt hergebrachter Leute, wozu unter anderem auch maridalor gehört. Besonders spannend und inspirierend finde ich auch lauramitulla, die sehr minimalistisch lebt.
Celina Mönkediek: Mit dem Hashtag #PayEthicalBloggers wurde von dem Online-Magazin MOCHNI im vergangenen Jahre eine Bewegung gestartet. Hattest auch du schon öfter Anfragen, bei denen du zu wenig oder auch gar nicht bezahlt werden solltest?
Bina Nöhr: Ja! Es war im grünen Bereich wirklich lange so, dass faire Unternehmen im Bereich Influencer Marketing aufgehört haben, fair zu sein und die eigene Arbeit nicht angemessen vergütet haben. Ich merke da erst jetzt ein Umdenken, dass Unternehmen von sich aus sagen, dass sie für eine Kooperation bezahlen. Jahrelang wurde eigentlich immer nur mit Produkten vergütet. Dann wurde z.B. ein weißes T-Shirt angeboten, dafür sollte aber ein riesiger Anforderungskatalog abgearbeitet werden. Das Verhältnis stimmte nicht und ich kann meine Miete schließlich auch nicht von T-Shirts bezahlen. Allerdings gibt es auch andere Wege, wie beispielsweise ein gutes Affiliate-Netzwerk aufzubauen.
Celina Mönkediek: Gerade in der Modebranche gibt es häufig eher kleine oder junge Labels, die faire und nachhaltige Kleidung produzieren und kein riesiges Marketingbudget haben. Steckst du da manchmal in einem Dilemma, diese Arbeit einerseits unterstützen zu wollen, aber auch für deine Arbeit passend entlohnt werden zu wollen? Schließlich können durch größere Bekanntheit nachhaltiger Labels, auch immer mehr Anbieter von Fast Fashion verdrängt werden.
Bina Nöhr: Das Dilemma kenne ich in der Tat. Ich habe schon sehr häufig mit kleinen Labels zusammen gearbeitet und möchte das auch weiterhin tun. Generell kann ich sagen, dass bei mir nicht immer der monetäre Aspekt im Vordergrund steht, sondern auch das Zwischenmenschliche muss stimmen. Manchmal finde ich auch einfach die Philosophie so gut oder entdecke ein Design, von dem ich denke, dass es unbedingt gesehen werden muss. Da ich selbst Modedesign studiert habe und daher weiß, wie lange es dauert, ein Modeunternehmen aufzubauen – nachhaltige Labels haben es nochmal deutlich schwerer – habe ich solche Labels auch schon oft ohne Profit unterstützt. Aber ich muss natürlich auch immer für mich selbst gucken, wie meine Kapazitäten sind. Ich bekomme sehr oft solche Anfragen und kann leider nicht allen gerecht werden. Auch für die Unternehmen macht es schließlich keinen Sinn, wenn ich meinen Followern immer wieder einfache T-Shirts zeige, die von einem neuen Start-Up sind.
Celina Mönkediek: Gibt es bestimmte Fehler, die PR- oder Social Media Manager bei einer Kooperation oder Kooperationsanfrage öfter machen?
Bina Nöhr: Ein ganz großer Fehler ist für mich, eine Mail raus zu schicken und die jeweilige Person dann nicht mit dem Namen anzusprechen. Oft kam dann einfach nur „Hallo“ oder auch „Hallo StryleTZ“. Das sehe ich als geringe Wertschätzung an. Und ein Produkt mit ganz geringem Warenwert anzubieten, aber gleichzeitig einen exorbitant hohen Anforderungskatalog mitzuschicken, finde ich ebenfalls schwierig.
Celina Mönkediek: Hast du für die Zukunft in deiner Branche einen Wunsch?
Bina Nöhr: Mein Wunsch ist, dass es nicht nur bei unserer Nische bleibt, sondern sich möglichst alle Menschen mit diesen wichtigen Themen auseinandersetzen. Und zwar nicht, weil es trendy und schön ist. Vielmehr weil es um unser Überleben und das Überleben unserer Kinder geht. Ich wünsche mir auch, dass anerkannt wird, dass wir uns wirklich eine Expertise in diesem Bereich aufgebaut haben und es uns nicht nur um einzelne tolle Kooperationen geht, sondern um das große Ganze.
Quellen: Interview mit Bina Nöhr vom 05.03.2020
Bildquellen: Bina Nöhr, Instagram Screenshot https://www.instagram.com/binanoehr/
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