„Ein Interview ist nichts, was man mal eben bei einer Tasse Kaffee vorbereitet.“, dies waren die prägenden Worte meiner Lehrerin in Recht auf dem Gymnasium. Es ist aber auch kein Hexenwerk. Erlerne hier die Kunst, richtig zu fragen nach Autor*innen wie Döring & Bortz, Haller sowie Renner & Jacob.
Seit ich zurückdenken kann, habe ich immer (gerne) Interviews geführt. Sei es für meinen eigenen Blog (hier könnt ihr bei Interesse reinschauen), Schularbeiten oder für die Universität. Interviews sind neben dem Schreiben und Texten selbst meine größte Leidenschaft. War es meine natürliche Neugier oder doch die Kontaktfreudigkeit mit interessanten Persönlichkeiten, in erster Linie Künstler*innen oder Menschen aus der Medienbranche?
Wissenschaftlich gesehen, gehören Interviews zu Methoden der qualitativen Forschung. Das heißt, man sammelt den Mehrwert an Informationen durch wenige Teilnehmer*innen, die aber viel Informationsgehalt liefern. Interviews sind gegenüber Umfragen insofern schwieriger auszuwerten, weil sie i.d.R. nicht standardisiert sind oder sein sollten. Hiermit ist der Anteil der geschlossenen bzw. offenen Fragen gemeint. Dennoch bekommt man durch sie und die Interviewpartner*innen mehr Informationen als vorweg geplant.
Den*die Interviewpartner*in finden
Rein theoretisch kann jeder Mensch zu jedem Thema interviewt werden. So gibt es Meinungsinterviews, Interviews zu Geschehnissen oder Experteninterviews. Demnach richtet sich die Wahl des*der Interviewpartners*in nach dem Thema und der Interviewform. Nichtsdestotrotz kann die Wahl auch umgekehrt verlaufen: Du kennst interessante Persönlichkeiten, die gerne erzählen, keine Scheu haben und in einen bestimmten Themenbereich passen? Dann frage sie an! Die sozialen Medien und offizielle Kontaktmöglichkeiten (externe PR) machen es möglich.
Achtung: Bleibe realistisch und empathisch, je ranghöher und bekannter die Person, desto schwieriger wird es, sie für ein Interview zu bekommen. Oft lehnen potenzielle Partner*innen ein Interview (gerade zu heiklen Themen) auch ab.
Tipp: Bleibe noch realistischer und fange im nächsten Umfeld und setze tiefer an (bspw. im Bekanntenkreis). Frage außerdem am besten einen Monat im voraus an. Denn ein Interview erfordert viel Vor- und Nachbereitung etwa eine Terminfindung oder der Verzug durch die Partner*innen. Da du auf deine Partner*innen angewiesen bist, musst du dich stets freundlich und verständnisvoll nach ihnen richten.
Die Themenauswahl für das Interview
Thema oder Partner*in – was war zuerst da? Richtig, die Idee für das Interview. Eine weitere Kunst des Interviews ist es, die Relevanz für sein Thema gut zu argumentieren und so auch die Wahl des*der Partners*in. Je nachdem für welches Medium du das Interview führst (bspw. den MuK Blog), ergibt sich ein Unterthema (Einführung in eine Thematik, etwa ein Medium, und die Betonung der Bedeutung dessen durch den*die Expert*in). Ein Thema findet sich aber auch durch aktuelle Trends (eine Buchveröffentlichung) oder groß diskutierte Themen. Die Bandbreite ist unbegrenzt.
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Ein Beitrag geteilt von Johanna Karajan | Fall4Me (@johannakarajan)
Die Hamburger Bundestagsabgeordnete Dorothee Martin (SPD) interviewte ich 2017 als modische und Hamburgs digitalste Politikerin. Ein Video an angemessener Stelle: die persönliche Botschaft an die Leserschaft der Plattform.
Die verschiedenen Interviewarten
Interviews können standardisiert/strukturiert, halbstandardisiert/-strukturiert oder gar nicht standardisiert/strukturiert sein. Der Grad der Standardisierung richtet sich nach dem Anteil der geschlossenen Fragen (ja oder nein Fragen) in deinem Interview. Der Mix macht’s. Damit der Rahmen deines Interviews nicht explodiert, deine Interviewpartner*innen in ihrer Erzählung nicht ausschweifen und du dennoch einen hohen Informationsgehalt erzielen kannst, lohnt es sich dein Interview mit geschlossenen Fragen abzurunden.
So unterteilt sich ein Interview i.d.R. aus zehn Fragen in drei Blocks. Die zehnte Frage nutze ich gerne für den sog. Raum für die Interviewpartner*innen ihr Schlusswort an die Leserschaft abzugeben.
Neben der Form kann das Interview auf drei unterschiedlichen Arten stattfinden:
- Persönlich (die Interviewpartner*innen treffen sich an einem neutralen, netten Ort – bspw. in einem Café)
- Telefonisch/per Video-Call (die Interviewpartner*innen verabreden sich zum Telefonat/Video-Call – gerne in Corona-Zeiten konform oder wenn die Partner nicht am selben Ort leben).
- Schriftlich (häufig mit berühmten Personen der Fall, die einen nicht persönlich kennen und sich schützen möchten. Aber auch bei mehreren Partner*innen (bspw. Bands) der Fall, die sich arrangieren müssen. Diese Form wird aber auch genommen, wenn der*die Interviewpartner*in nicht zu gängigen „Bürozeiten“ verfügbar ist und die Fragen individuell beantworten möchte. Hier besteht die Gefahr, dass Fragen teilw. nicht (zufriedenstellend) beantwortet werden, Nachfragen ausfallen und das Interview knapp ausfällt.
Meine bevorzugte Form ist immer noch das persönliche Interview. Da ich gerne neue Bekanntschaften schließe, die Menschen treffe und die Atmosphäre die perfekte zwanglose und nette Voraussetzung für das Interview schafft. Sei aber nicht enttäuscht, wenn es doch mal schriftlich ausfällt. Auch das erspart dir die Arbeit des Transkribierens im Nachhinein. Sei froh, dass das Interview überhaupt stattfindet.
Das Interview: Dos & Don’ts
Damit du dich mit jedem Interview steigern kannst, empfiehlt es sich, Gepflogenheiten einzuhalten. Die wichtigsten im Überblick:
Anfrage: Stelle dich kurz und prägnant, mit den wichtigsten Informationen vor. Mache einen seriösen aber freundlichen Eindruck und sage bereits worum es geht. Dies schafft Vertrauen bei der angefragten Person.
Equipment: Ein Aufnahmegerät und die Fragen in Druckversion oder auf dem Tablet vor Ort sind die essenzielle Ausrüstung aller Interviewer*innen vor Ort. Für Telefon- bzw. Video-Interviews überprüfe deine Technik spätestens am Abend vorher und führe ggf. alle notwendigen Updates für ein funktionierendes Mikro und Video durch. Organisiere dir für alle Fälle Ersatzgeräte.
Pünktlichkeit: Es gibt nichts peinlicheres als wenn man zum eigenen Interview spät an ist. Das kannst du dir bei Bekannten vielleicht leisten, aber auf Dauer leidet deine Professionalität darunter. Auch bei einem grundsätzlich langsamen Laptop solltest du ca. 15 Minuten früher alles betriebsbereit haben. Sollte wirklich etwas ernsthaftes dazwischen kommen, melde dich am Morgen deines Termins.
Dresscode: Weder zu ausgefallen aber auch nicht nachlässig lässig, lautet die Devise, dein*e Interviewpartner*in ist wie Anastasja Black gerne stilvoll schwarz unterwegs? Dann kleide dich entsprechend minimalistisch.
Eisbrecher: Auch mit der englischen Bezeichnung Ice-Breaker gerne genutzt. Die Eisbrecherfragen sind kein Bestandteil des eigentlichen Interviews. Vielmehr dienen sie dazu, die Atmosphäre zu lockern und einen einfacheren Start in das Gespräch zu ermöglichen ohne sprichwörtlich mit der Tür ins Haus zu fallen. Klassische Fragen sind dabei, das allgemein gängige „Wie geht’s“ oder die Frage nach der Anfahrt. Eine ähnlich runde Verabschiedung erfolgt beim Abschluss,
Datenschutz: Selbst wenn du deinen besten Freund wie in meinem Fall den Autoren Abdullah Doubli interviewst musst du dir für alles Genehmigungen einholen. Dies umfasst bspw. die Aufzeichnung von Ton, das Erstellen von Screenshots und die Freigabe der O-Tones (Originaltöne). Nehme nichts für selbstverständlich und stelle klar, was du wofür benutzt. Bitte deine Interviewpartner*innen um Fotos.
Die Kunst des Interviews
Sei dein*e Interviewpartner*in, vielmehr noch, sei dein Interview selbst! Die o.g. Praxistipps geben dir auf Basis wissenschaftlicher Literatur gute Starthilfe. Doch die Kunst besteht darin, zu erahnen, was dein*e Partner*in antworten könnte und das Interview entsprechend aufzubauen. Vielleicht bekommst auch du irgendwann das Kompliment zu hören, dass du Fragen stellst, die nicht einmal Journalist*innen einfallen und falls dein erstes Interview nicht das Gelbe vom Ei ist, Kopf hoch! Man wird mit jedem Interview besser!
In diesem Sinne möchte ich mich ganz herzlich bei meinen großartigen Interviewpartner*innen Prof. Dr. Schneck, Philip Dipner, Abdullah Doubli, Anastasja Black, David Rienau und Katja Köppen, die sich mir Zeit für den MuK-Blog gewidmet haben und mit ihrer Expertise viel Mehrwert für den Blog geliefert haben für die erstklassigen Interviews bedanken und wünsche ihnen für die Zukunft nur das beste! Auch möchte ich mich bei Prof. Dr. Hermanni, unserem Redaktionsleiter, bedanken, dass er mich dazu ermutigt hat, diese Interview-Reihe als persönliches Projekt in den MuK-Blog einfließen zu lassen.
Ich verabschiede mich mit diesem Artikel vorerst in den Mutterschutz und wie es beim Rosaroten Panther so schön heißt: „Heute ist nicht alle Tage, ich komm‘ wieder keine Frage!“