Zum wiederholten Mal steht ein TV – Sender der Öffentlich-Rechtlichen unter Beschuss. Die Kritik gilt der Talkshow „Die letzte Instanz“ des WDR. Die Vorwürfe? Man habe sich ignorant, naiv und unreflektiert dem sehr sensiblen Thema Rassismus angenommen. Mal wieder, denn die Produktion der Sendung hätte bereits aus den Fehlern Anderer lernen müssen. Eine Bestandsaufnahme in Sachen Diversität der Öffentlich-Rechtlichen.
Talkshows in der Kritik
Vor allem in den sozialen Medien bekommt die Runde um Moderator Steffen Hallaschka intensiven Widerspruch. Dabei spielte jedoch nicht nur die Verwendung diskriminierender oder rassistischer Sprache eine große Rolle. Die Sendung steht vor allem aufgrund der Besetzung in der Kritik, denn die Gäste der Talkshow waren alle weiß und von Rassismus schlichtweg nicht betroffen. Damit machte der WDR die gleichen Fehler wie auch schon die ARD im vergangenen Sommer: Zu wenig Repräsentation, bzw. Diskurs mit Personen der BIPoC Community und unreflektierte Aussagen der Teilnehmenden.
Dabei kommt gerade dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen als Massenmedium eine wichtige Verantwortung in gesellschaftlichen Themen wie Rassismus zu.
Zu wenig Diversität bietet zu viel Raum für Rassismus
Diese Verantwortung ist im Medienstaatsvertrag (ehemals Rundfunkstaatsvertrag) für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten festgehalten. Hierin verpflichten sie sich dazu, „durch die Auswahl von Programmen und Themen [eine] […] freie Meinungsbildung und kulturelle Vielfalt [zu] gewährleisten.“, so der bpb.
Besonders im Hinblick auf die wachsende kulturelle Vielfalt Deutschlands1 ist der Medienstaatsvertrag von Relevanz. Dem entgegen stehen jedoch verschiedene Analysen zur Diversität in der Medienlandschaft der Landesrundfunkanstalten. So berichtete das Medienmagazin ZAPP (NDR) darüber, dass von 728 Talkshowgästen im Jahr 2019 genau drei Schwarze Personen waren. Ferner zeigte ein Bericht des WDR, dass es auch hinter der Kamera auf produzierender Seite schwer fällt, Stereotypen aufzubrechen und aktiv Diversität innerhalb der eigenen Reihen zu fördern. Darunter leide wiederum die Programmgestaltung.
Für die Gestaltung der Folge von „Die letzte Instanz“, die bereits das zweite Mal ausgestrahlt wurde, entschuldigten sich der Sender sowie mehrere Beteiligte der Talkshow öffentlich. Darunter auch die WDR-Unterhaltungschefin Karin Kuhn.
Bestandsaufnahme: Diversität in den Öffentlich-Rechtlichen
In einem Interview berichtet Kuhn zwar von Projekten innerhalb des Senders, die vor wie hinter der Kamera für mehr Diversität sorgen sollen. Entsprechende Instanzen, wie z.B. die Integrationsbeauftragte des WDR oder die Leitung der Arbeitsgruppe „Charta der Vielfalt“ (NDR) berichteten aber von einem „langen Atem“ und viel „Geduld“, die sie für ihre Aufgabe aufbringen müssen.
Wenn es einen Erfolg in Sachen Diversität bei den Öffentlich-Rechtlichen gibt, dann in den kleineren, sogenannten „Content-Netzwerk“ -Formaten. Sie bestehen oft aus einer Community selbstorganisierter, junger und diverser Journalist*innen und Medienschaffenden. Darunter fallen auch die Online-Formate Funk (ARD/ZDF) und puls (BR), deren Berichterstattung sich in Form und Inhalt signifikant vom Standardprogramm unterscheidet.
Zuhören und Lernen
Zu diesen Communitys gehören unter anderem Journalist*innen wie Michel Abdollahi (NDR), Aminata Belli (NDR) und Hadnet Tesfai. Sie erreichen durch ihre Formate und Veröffentlichungen vor allem jüngere Generationen – meistens online. Auch Esra Karakaya (Karakaya Talk) arbeitet hauptsächlich an digitalen Formaten. Ihr Ziel ist es, eine „Plattform […] für alle Communitys [of Color], die in Deutschland unter- oder falsch repräsentiert und marginalisiert werden.“2 zu gestalten.
Sie setzt damit schon lange um, was spätestens seit Sommer 2020 zum angemessenen Ton in Debatten um Rassismus und Diversität gehören sollte: Zuhören und Lernen! Das gilt schließlich auch und vor allem für die Öffentlich-Rechtlichen.
Quelle Titelbild: Bild von Gerd Altmann auf Pixabay
1 Statistisches Bundesamt
2 Interview EDITION F mit Esra Karakaya
Weitere Quelle: Deutschlandfunk Kultur, taz.de, BLIQ – Journal, Viertes Deutsches Fernsehen, Mediendienst Integration, „Die letzte Instanz“, jetzt.de, Neue Deutsche Medienmacher*innen
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