Billa Kampagne – Shitstorm für „Mit einer Behinderung wirst du nicht gebraucht“

Werbeaussagen wie „Mit einer Behinderung wirst du nicht gebraucht“ oder „Ohne Matura kommst du nicht weit“ haben in Österreich zuletzt für Aufregung gesorgt. Lange war nicht bekannt, wer hinter der Out of Home Kampagne steckt. Vor kurzem hat sich der Lebensmitteleinzelhandel Billa dazu geäußert. Er ist Urheber der Plakate. Was von Seiten Billa als Teaser-Kampagne betitelt wird, sehen andere als diskriminierend, verletzend oder sogar re-traumatisierend. Nun entschied auch das Werberatsgremium mehrheitlich: Die Plakate müssen weichen.

Die Slogans und Sujets

Gestartet wurde die Kampagne mit sehr schlichten Sujets. Schwarze Schrift auf einfärbigem, gelben Hintergrund, das Ganze weiß umrahmt. Weniger schlicht waren die Slogans. Diese haben es in sich. Sätze wie „Ohne Matura kommst du nicht weit“, „Mit einer Behinderung wirst du nicht gebraucht“ oder „Älteres Personal einstellen lohnt sich nicht“, prangen von den Plakaten. Diese wurden nicht mit einem Logo oder sonstiger Information versehen, die auf den Urheber der Kampagne schließen ließen.

Nach kurzer Zeit dann die Auflösung: Billa steckt dahinter. Der Konzern hat sich auf Twitter zu den Plakaten geäußert und somit das Rätsel gelöst. Die Kampagne besteht aus zwei Plakatwellen. Die erste war wie eingangs beschrieben als Teaser-Kampagne geplant. Mit der zweiten Version der Plakate soll die Auflösung stattfinden. Vor den Aussagen sind nun strahlende Billa-MitarbeiterInnen in weißen T-Shirts zu sehen. Diese tragen Aufschriften, die die vorherigen Slogans entkräften sollen. „Ohne Matura kommst du sehr weit“ steht beispielsweise geschrieben.

Was ist eine Teaser-Kampagne?

Bei einer sogenannten Teaser-Kampagne ist anfangs unbekannt, wer das werbende Unternehmen ist. Es handelt sich um eine Vorab-Kampagne. Teaser bedeutet übersetzt so viel wie „Anreißer“. Öfters wird hier mit provokanten Ausdrucksformen gearbeitet. Auch im Fall der aktuellen Billa Kampagne war die Frage groß: Wer steckt hinter den riskanten Werbeaussagen? Das streuende Medienunternehmen Gewista gab keine Informationen dazu preis. Ziel ist es, das Interesse und die Neugier der erreichten Personen zu erregen.

„Diskriminierend und re-traumatisierend“

Die Werbekampagne sorgt für öffentliches Contra. Zahlreiche Menschen reagieren in den sozialen Medien darauf. Dem Lebensmitteleinzelhandel wird vorgeworfen, Werbung mit etwas zu machen, das schon längst selbstverständlich sein sollte: Mit Inklusion. Vorurteile in der Gesellschaft würden damit nur noch verfestigt werden. „Ekelhaft“ werden die Aussagen genannt. Die Kampagne ist in den Augen der Bevölkerung völlig daneben gegangen. Auch der Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein hatte sich vor der Enthüllung zu den Plakaten geäußert. „Es ist nicht im Sinne einer inklusiven, diversen Gesellschaft, auf diese Art und Weise Aufmerksamkeit zu erregen. Wir brauchen noch viel mehr Sensibilisierungsarbeit in Österreich, damit so etwas nicht passiert. In diesem Sinne rufe ich die Urheber dieser Kampagne auf, besagte Sujets zeitnah zu entfernen“. Dies schrieb er am 12. Oktober auf seinem Twitter Account. Eine klare Haltung gegenüber den Werbemaßnahmen. Ebenfalls empört zeigen sich der Österreichische Behindertenrat und der Verein BIZEPS (Zentrum für Selbstbestimmtes Leben).

Person nutzt Twitter
Der Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein äußert sich zu den Plakaten auf Twitter. „Es ist nicht im Sinner einer inklusiven, diversen Gesellschaft auf diese Art und Weise Aufmerksamkeit zu erregen. Wir brauchen noch viel mehr Sensibilisierungsarbeit in Österreich, damit so etwas nicht passiert.“, twittert er. Bilduelle: Unsplash Charles Deluvio

Das Statement seitens Billa

Mit den Slogans wolle man bewusst provozieren und auf die Missstände am Arbeitsmarkt hinweisen. Man habe aus diesem Grund derartige Formulierungen gewählt, die wütend machen. Die Menschen auf den Fotos sind echte MitarbeiterInnen, keine Models. Darauf sei man stolz. Die Kampagne soll die Vielfalt in der 33.000-köpfigen Belegschaft des Konzerns widerspiegeln. Man wolle die Aufmerksamkeit absichtlich auf die Arbeitssituation von Menschen mit Behinderung lenken. Billa möchte gegen diese Ungerechtigkeiten ankämpfen. Billa hat auf Twitter einigen Kritikern auf ihre Tweets geantwortet. Die Formulierungen werden damit gerechtfertigt, dass es nie die Intention war, eine re-traumatisierende Wirkung auszulösen oder Personen zu diskriminieren. Dennoch werde die Kritik ernst genommen. Deshalb argumentiert Billa, die Plakate der ersten Welle so schnell wie möglich durch die Sujets der zweiten Welle auszutauschen – und das frühzeitig.

Die Entscheidung des Werberates fällt gegen Billa

Der österreichische Werberat hat die Kampagne als unethisch eingestuft. Hauptargument ist hier die Möglichkeit zur Re-Traumatisierung von Betroffenen. Durch die Aussagen sei bewusst eine Diskriminierung erzeugt worden. Die Slogans könnten langfristig in Erinnerung bleiben und somit Nachwirkungen verursachen. Außerdem kann es vorkommen, dass Rezipienten nur die Plakate der ersten Welle wahrnehmen und somit gar nicht mit der sogenannten Entkräftigung erreicht werden. Die zeitversetzte Auflösung wird also auch als problematisch angesehen. Die kontroversen Plakate sollen somit bis auf weiteres wieder aus dem Bild der österreichischen Städte verschwinden.

Neue Slogans auf Social Media

Nach der negativen Resonanz greift Billa nun wohl zu milderen Mitteln. In den Instagram Storys werden Ads mit Kurzvideos ausgespielt, in denen beispielsweise eine tanzende junge Frau zu sehen ist. Billa stellt dich ein, auch wenn du nicht tanzen kannst, so die Message. Eine etwas abgespeckte Version der Plakate. Die öffentliche Meinung zur Kampagne wird sich jedoch höchstwahrscheinlich auch mit solchen weniger provokanten Aussagen nicht mehr umlenken lassen. Trotz der Reaktion durch das Unternehmen auf verärgerte Tweets lassen sich die Bürger nicht umstimmen. „Der Schaden sei bereits angerichtet“, schreibt ein User.

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Quelle: profil.at, derStandard.at, Twitter/Billa_at, Twitter/WolfgangMueckst
Bildquelle Beitrags-Titelbild: Laura Schutti