Hilft die Berichterstattung über Corona langfristig dem Gesundheitswesen?

Corona hat weltweit vor Augen geführt, wie wichtig ein funktionierendes Gesundheitswesen ist. Vor allem in den USA hat sich gezeigt, wie wichtig eine bezahlbare Krankenversicherung ist: Wer regelmäßig zum Arzt geht und Vorsorge betreibt, reduziert das Risiko, ernsthaft zu erkranken. Viele Ansteckungen und Todesfälle wurden in Amerika auf Ärmere zurückgeführt, die in schlecht bezahlten Jobs arbeiten. Diese konnten sich keine teuren Behandlungen leisten. Doch auch in Deutschland sieht man die Probleme: Übersterblichkeit in Pflegeheimen, zu wenig Personal am Rande der Belastbarkeit. Und viel Bürokratie.

Was wird am jetzigen Gesundheitssystem kritisiert?

  • Die Kommerzialisierung des Systems, bei dem u. a. Krankenhäuser Gewinne erzielen müssen. So wurden Kliniken privatisiert und sollen geführt werden wie jedes andere Unternehmen. Dabei werden teure Behandlungen wie OPs versträkt durchgeführt, um Geld zu verdienen. Selbst wenn dies für die Patient*innen nicht nötig wäre. Der Gesundheitsminister von Schleswig-Holstein, Heiner Garg (FDP) sagt zur Kommerzialisierung der Gesundheit: „Eine leistungsstarke Gesundheits- und Pflegeversorgung ist ein Wert an sich, aber diese kostet auch Geld.“
  • Aufwändige Bürokratie, die den Versorgenden weniger Zeit gibt, sich um die Patient*innen zu kümmern. Eine Erleichterung könnte hier die bisher nur geringe Digitalisierung des Gesundheitswesen sein.
  • Neben weiteren Kritikpunkten gibt es noch den Faktor der Krankenverischerung. Die Trennung in gesetzlich und privat Versicherte schafft Ungleichheiten bei der Terminvergabe und Behandlung. Dieser Aspekt wird u. a. auch im Video „Die Wahrheit über unser Gesundheitssystem“ von YouTuber Mirko Drotschmann behandelt. Das Video auf dem Kanal MrWissen2Go untersucht außerdem die Pharmalobby und den Ärztemangel, vor allem im ländlichen Bereich.
  • Im Vergleich zur Bettenanzahl in Krankenhäusern gibt es wenige Ärzte/ Ärztinnen und Krankenschwestern. Das führt zur Arbeitsüberlastung des Personals, auch in Pflegeeinrichtungen. Autorin und Krankenschwester Franziska Böhler hat in ihrem Buch „I´m a Nurse“ über ihre Erfahrungen berichtet. Sie sagt zu den Zuständen: „Das zermürbt dich, das macht dich fertig. Und deshalb schmeißen aus so viele hin. Man rettet sich in einen anderen Job, weil man merkt: So geht es nicht mehr weiter.“
Mona Lisa einmal ohne ihr berühmtes Lächeln – ganz zeitgemäß mit Maske.

Was kann man am Gesundheitswesen ändern?

Zuerst einmal muss trotz aller Kritik bemerkt werden, dass das deutsche Gesundheitswesen besser ist als in vielen anderen Ländern weltweit. Dazu schreibt die europäische Kommission: „Nach jüngsten Schätzungen waren im Jahr 2015 rund 100.000 Menschen (0,1 Prozent der Bevölkerung) nicht versichert.“ Das heißt, die Leistungen – egal welcher Art – sind für fast alle zugänglich. Doch die Kritik am aktuellen Zustand des Gesundheitswesen ist berechtigt. Was, wenn immer mehr Personal in andere Branchen abwandert? Wenn das System irgendwann zu veraltet ist? Natürlich wurden diese Fragen in der Politik oft durchdacht, und die folgenden Punkte sind nur ein grober Ansatz für eine komplexe Problematik. Man bräuchte demnach:

  • Ein System, dass wenig bis gar nicht auf Kommerz setzt.
  • Mehr qualifiziertes Personal mit attraktiveren Arbeitsbedingungen und besserem Gehalt. Gerade in der Pflege machten sich viele Hoffnung, da es vor wenigen Monaten Verhandlungen um flächendeckende Tarifverträge gab. Doch die erzielte Einigung betraf nur Verdi und die Bundesvereinigung Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP). Mitglieder der BVAP erhalten nun bis zu 25 % mehr Lohn, doch Einrichtungen von anderen Trägern wie der Caritas nicht. So kommt es zum Flickenteppich der Gehälter und Tarifverträge in der Pflege.
  • Zuehmende Digitalisierung, um die Bürokratisierung zu lindern und Abläufe schneller und effizienter zu gestalten.
  • Eine eventuelle Überarbeitung der Krankenkassen in gesetzlich und privat Versicherte. So gibt es den Vorschlag einer Bürgerversicherung.

Hilft die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, um all diese Probleme anzugehen? Langfristige Veränderungen brauchen Zeit. Und da liegt die Schwierigkeit: Corona macht auf die vielen Schwachpunkte aufmerksam. Gleichzeitig ist das Bundesgesundheitsministerium durch die Pandemie voll ausgelastet und wird sich wohl gerade eher um akute Fallzahlen kümmern. Komplexe und langwierige Reformen sind da wichtig, aber werden wahrscheinlich nach der Pandemie in Angriff genommen – wenn ein Großteil der medialen Öffentlichkeit sich wieder anderen Thematiken widmet. Es bleibt zu hoffen, dass die Bevölkerung sich auch nach der Pandemie für systemrelevante Berufe interessiert und nicht vergisst, was das Gesundheitswesen täglich leistet.

Quellen:

RTL: https://www.rtl.de/cms/stopp-der-kommerzialisierung-im-gesundheitswesen-gefordert-4780126.html, Spiegel: https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/private-krankenversicherung-in-der-kritik-es-geht-um-solidaritaet-a-9e30ef53-b774-4faf-8655-708291f9568b

Frankfurter Rundschau: https://www.fr.de/politik/krankenpflegerin-franziska-boehler-alle-patienten-tragen-ein-unsichtbares-preisschild-gesundheitssystem-90843225.html, Europäische Kommission/ Vertretung Deutschland: https://ec.europa.eu/germany/news/20191128-Gesundheitsbericht_de

ZDF – Die Anstalt: Tarifvertrag? Nein Danke! https://www.youtube.com/watch?v=fefsLt7doPg, Frankfurter Rundschau: https://www.fr.de/rhein-main/wiesbaden/kommerz-gesundheit-11691064.html

Bilder:

Pixabay auf Pexels: https://www.pexels.com/de-de/foto/blaues-und-silbernes-stetoskop-40568/

Sumanley xulx auf Pixabay: https://pixabay.com/de/illustrations/mona-lisa-maske-malerei-corona-4893660/

Eva Bloch

Eva Bloch

Eva hat während ihrem Bachelor- und Masterstudium erste Berufserfahrung gesammelt. Momentan arbeitet sie in einem Industrieunternehmen als Werkstudentin im Bereich Unternehmenskommunikation. In ihrer Freizeit liest sie gerne, kocht oder macht Zumba.