Der Fall Fynn Kliemann oder die Mehrheitsübernahme von Nestlé bei Ankerkraut haben gezeigt: Influencermarketing hat auch Schattenseiten. Wie können sich beide Seiten vor negativen Auswirkungen schützen? Eine Einordung.
Aus Sicht der Influencer*innen
Der Verdacht der Schleichwerbung, Kritik der Fans an zweifelhaften Produktplatzierungen, Vertragsdetails und der ständige Erfolgsdruck machen es für Influencer schwierig, für Unternehmen glaubwürdig zu werben. Sie wollen bzw. müssen sich oft von Werbeeinnahmen finanzieren. So wurde die ehemalige GNTM-Teilnehmer Elena Carrière verklagt, weil sie aus Sicht eines Verlages Schleichwerbung betrieb. Das Gericht sah das als erwiesen an. Möglich ist das durch das sogenannte Influencer-Gesetz. Durch Gesetzesänderungen, Unwissenheit oder ähnlichem können schnell Verunsicherungen entstehen, was wiederum problematisch wird: Sollen Internet-Stars künftig alles als Werbung deklarieren? Oder explizit schreiben, dass es sich um „unbezahlte Partnerschaften“, persönliche Empfehlungen ohne finanzielle Gegenleistung etc. handelt? Ist das für den Verbraucher am Ende transparenter? Doch auch bei eindeutiger Werbung gibt es Hindernisse.
Oft ist ein kritisches Auge notwendig, um ein möglichst skandalfreies Unternehmen zu finden. Beispiel: Viele Influencer warben für den Gewürzmischungshersteller Ankerkraut, bis dieser im Frühjahr 2022 überraschend von Nestlé übernommen wurde. Der Shitstorm war groß, die Influencer uninformiert. Wer konnte, distanzierte sich durch ein Statement und versuchte, den Vertrag sofort zu beenden. Doch auch andere Kooperationen können für Internet-Stars zum Boomerang werden: Bibi Claßen von „Bibis Beauty Palace“ erntete viele negative Kommentare, als sie für Shein warb. Das Modeunternehmen steht für Billigware, Lieferketten und Arbeitsbedingungen sind nicht transparent. Die YouTuberin ist eine der erfolgreichsten Deutschlands, doch diese Partnerschaft hat ihr den Unmut vieler Fans gebracht. Die Abwägung zwischen finanziellem Gewinn und Image macht es schwieriger, authentisch Werbung zu machen.
Aus Sicht der Unternehmen
Doch auch Unternehmen müssen bei der Wahl ihrer Koopertionspartner aufpassen. Das zeigt unter anderem Fynn Kliemann. Als bekannt wurde, dass er womöglich Geschäftspartner belügt, unter falschen Angaben Atemschutzmasken zum Schutz gegen Corona-Viren herstellt und bewirbt, gab es viel Wirbel. Kliemann galt lange als innovativer, cooler Unternehmer, der nicht nur Geld verdienen, sondern durch sein Tun auch die Welt verbessern will. Ideal für authentische Kampagnen. Doch mittlerweile haben nicht nur mehrere Unternehmen die Zusammenarbeit beendet und sich distanziert, auch Klagen liegen gegen Kliemann vor. Denn bevor die Vorwürfe öffentlich wurden, hatte Kliemann nicht nur betont, wie ethisch korrekt sein Unternehmertun sei, sondern auch andere kritisiert, die aus der Krise Profit schlagen würden. Er behauptete, mit den Masken kein oder kaum Geld zu verdienen. Die Investigativ-Recherche von Jan Böhmermanns Team sagt dagegen, er habe Millionen erwirtschaftet.
Auch kritisch: Immer mit den neuesten Trends gehen und sich positionieren: Welches Unternehmen zeigt nicht gerne, wie umweltfreundlich, tolerant und engagiert es ist? Ob es um Nachhaltigkeit, Aktionen im Bereich LGBTQ+, Kampagnen gegen Rassismus, Inklusion und Integration oder andere politische Botschaften geht – einige Unternehmen nehmen diese Botschaften nicht ernst. So erklärt sich der Begriff des Woke Washing. Absatzwirtschaft schreibt: „Von Woke Washing spricht man, wenn ein Unternehmen, eine Institution oder eine Einzelperson etwas sagt oder tut, das ihr Eintreten für eine soziale Sache signalisiert, gleichzeitig aber selbst gegensätzlich oder gar nicht handelt. Auch der Begriff Markenaktionismus taucht in diesem Zusammenhang auf.“ Klartext: Für diese Themen werben heißt auch, so zu handeln. Sonst handelt man sich den nächsten Shitstorm ein. Da hilft der beste Influencer, der korrekte Werbevertrag und eine klare Kommunikation nichts – die Botschaft des Unternehmens muss stimmig sein.
Fazit: Influencermarketing ist keine Einbahnstraße. Unternehmen und Influencer müssen nicht nur zu Beginn einer Werbepartnerschaft genau hinschauen, sondern auch ihre Absichten verdeutlichen und immer wieder kommunizieren. Ansonsten könnten gesetzliche Hürden, die Angst vor Shitstorms und Gesellschaftskritik dazu führen, dass Influencermarketing zwar ein gängiges Werbemittel bleibt, ein weiterer Boom aber ausbleibt.
Quellen:
https://www.absatzwirtschaft.de/woke-washing-der-anti-purpose-fuer-marken-227165/
Bilder:
https://www.pexels.com/de-de/foto/fashion-mann-person-liebe-6003271/
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